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Bevor ich sterbe

Bevor ich sterbe

Titel: Bevor ich sterbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Downham
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Beweisstücke, oder was meinen Sie?«
    Ich versuche es mit Weinen, aber sie fällt nicht drauf rein, sondern reicht mir nur mit großer Überwindung ein Papiertaschentuch. Sie wartet, bis ich mir die Nase geputzt habe, um anschließend auf den Abfalleimer zu zeigen.
    »Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen«, sagt sie. »Angefangen bei Ihrem Namen.«
    Es dauert ewig. Alle Einzelheiten holt sie aus mir raus – Alter, Adresse, Dads Telefonnummer. Sogar Mums Namen, auch wenn ich nicht verstehe, was der zur Sache beiträgt.
    »Sie haben die Wahl«, sagt sie. »Wir können Ihren Vater anrufen oder die Polizei.«
    In einem verzweifelten Versuch ziehe ich Adams Jacke aus und fange an, meine Bluse aufzuknöpfen. Shirley blinzelt nur. »Ich bin nicht besonders gesund«, sage ich ihr. Ich streife mir die Bluse von einer Schulter und hebe den Arm, um ihr die Metallscheibe
unter meiner Achselhöhle zu zeigen. »Das ist ein Port, eine Zugangsscheibe für intravenöse medikamentöse Behandlungen.«
    »Bitte ziehen Sie Ihre Bluse wieder an.«
    »Ich will, dass Sie mir glauben.«
    »Ich glaube Ihnen.«
    »Ich habe akute lymphoblastische Leukämie. Sie können das Krankenhaus anrufen und fragen.«
    »Bitte ziehen Sie Ihre Bluse wieder an.«
    »Wissen Sie überhaupt, was akute lymphoblastische Leukämie ist?«
    »Leider nein.«
    »Es ist Krebs.«
    Aber das K-Wort schreckt sie nicht, und sie ruft trotzdem meinen Vater an.
    Unter unserem Kühlschrank zu Hause sammelt sich an einer Stelle immer eine kleine Pfütze übel riechendes Wasser. Jeden Morgen wischt Dad die mit antiseptischen Haushalts-Wischtüchern auf. Im Lauf des Tages sammelt sich das Wasser erneut. Die Holzdielen wellen sich schon von der Feuchtigkeit. Eines Nachts, als ich nicht schlafen konnte, sah ich drei Kakerlaken in Deckung flitzen, als ich das Licht anknipste. Am nächsten Tag kaufte Dad Klebefallen und lockte sie mit Bananenstückchen an. Aber wir haben nie auch nur eine Kakerlake erwischt. Dad sagt, ich würde mir Dinge einbilden.
    Schon als kleines Kind habe ich die Zeichen erkannt – die Schmetterlinge, die sich in Marmeladengläsern fingen, Cals Kaninchen, das seine eigenen Jungen fraß.
    Ein Mädchen auf meiner Schule wurde zertrampelt, als es von seinem Pony fiel. Dann ist der Junge vom Obstladen vor ein Taxi gelaufen. Und mein Onkel Bill bekam einen Hirntumor. Bei seiner Beerdigung waren alle Sandwiches an den Ecken gewellt. Noch Tage später ging die Graberde nicht von meinen Schuhen ab.

    Als mir die blauen Flecken auf meinem Rückgrat auffielen, ging Dad mit mir zu einem Arzt. Der Arzt sagte, ich sollte nicht dermaßen müde sein. Der Arzt sagte alles Mögliche. Nachts klopfen die Bäume an mein Fenster, als ob sie reinwollten. Ich bin umzingelt. Ich weiß es.
    Als Dad ankommt, hockt er sich neben meinen Stuhl, nimmt mein Kinn in beide Hände und zwingt mich, ihm in die Augen zu sehen. So traurig wie jetzt habe ich ihn noch nie gesehen.
    »Ist alles in Ordnung?«
    Er meint mit meinen Medikamenten, also nicke ich. Von den Spinnen, die auf dem Fensterbrett rumwuseln, sage ich ihm nichts.
    Da steht er auf und betrachtet Shirley hinter ihrem Schreibtisch. »Meine Tochter ist nicht gesund.«
    »Das hat sie erwähnt.«
    »Und hat das gar nichts zu sagen? Haben Sie denn gar kein Gefühl im Leib?«
    Shirley seufzt. »Ihre Tochter wurde dabei ertappt, wie sie Artikel in der Absicht verbarg, das Geschäft ohne Bezahlen zu verlassen.«
    »Woher wollen Sie wissen, dass sie nicht bezahlen wollte?«
    »Sie hatte die Artikel in ihrer Kleidung versteckt.«
    »Aber sie war noch nicht draußen.«
    »Die Absicht zu stehlen ist ein Verbrechen. Unter den gegebenen Umständen steht es uns frei, Ihre Tochter mit einer Verwarnung davonkommen zu lassen. Wir hatten vorher noch nicht mit ihr zu tun, und ich bin nicht verpflichtet, die Polizei zu rufen, wenn ich sie in Ihren Gewahrsam entlasse. Allerdings muss ich mich ganz darauf verlassen können, dass Sie die Angelegenheit mit allem gebotenen Ernst in die Hand nehmen.«
    Dad sieht sie so an, als hätte ihm wer eine sehr schwierige Frage gestellt und er müsste sich seine Antwort gründlich überlegen.

    »Ja«, sagt er. »Das werde ich tun.« Dann hilft er mir auf.
    Shirley steht auch auf. »Dann sind wir uns also einig?«
    Er sieht verwirrt aus. »Entschuldigung, soll ich Ihnen Geld geben oder so was?«
    »Geld?«
    »Für das, was sie sich genommen hat?«
    »Nein, nein, das nicht.«
    »Dann kann ich sie also nach Hause

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