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Bevor ich sterbe

Bevor ich sterbe

Titel: Bevor ich sterbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Downham
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langsam zu Boden. Ich wüsste gern, ob das Gras morgen schwefelgelb-zinnoberrottürkisfarben gefleckt sein wird.
    Als Nächstes kommt ein Komet dran, um Cals Verlangen nach Action zu befriedigen. Dad zündet ihn an, und er zischt hoch über das Dach, einen Glitzerschweif hinter sich herziehend.
    Mum hat Rauchbomben gekauft. Die kosten drei Pfund fünfzig das Stück, und Cal ist tief beeindruckt. Er ruft Dad den Preis zu.

    »Mehr Geld als Verstand«, ruft Dad zurück.
    Mum zeigt ihm den Stinkefinger, und er lacht so warmherzig, dass sie eine Gänsehaut bekommt.
    »Ich hab zwei zum Preis von einem gekriegt«, sagt sie. »Wenigstens ein Vorteil davon, dass du krank bist und wir an einem Abend mitten im Dezember unser Feuerwerk verknallen.«
    Die Bomben decken den Garten mit grünem Rauch ein. Massenhaft. So als würden gleich die Kobolde kommen. Cal und Dad kommen lachend und prustend vom anderen Gartenende angelaufen.
    »Was für eine absurde Menge Rauch!«, ruft Dad. »Wir sind hier doch nicht in Beirut!«
    Mum reicht ihm lächelnd ein Sonnenrad. »Nimm als Nächstes das hier. Das mag ich am liebsten.«
    Er holt einen Hammer, und sie steht auf und hält den Zaunpfosten fest, während er den Nagel reinschlägt. Zusammen lachen sie.
    »Hau mir nicht auf die Finger«, sagt sie und stößt ihn mit dem Ellbogen an.
    »Genau das wird passieren, wenn du so weitermachst!«
    Cal sitzt auf Mums Stuhl und reißt ein Päckchen Wunderkerzen auf. »Wetten, dass ich vor dir berühmt bin«, sagt er mir.
    »Wetten, dass nicht.«
    »Ich werde der Jüngste sein, der je dem Zauberzirkel beigetreten ist.«
    »Braucht man dafür denn keine Einladung?«
    »Die werden mich einladen! Ich bin begabt. Was kannst du schon? Nicht mal singen kannst du.«
    »He!«, sagt Dad. »Was ist hier los?«
    Mum seufzt. »Unsere Kinder wollen alle beide berühmt werden.«
    »Ach, echt?«
    »Ruhm steht als Nächstes auf Tessas Liste.«

    Ich sehe Dad an, dass er damit nicht gerechnet hat. Mit schlaff herunterhängendem Hammer wendet sich mir zu. »Ruhm?«
    »Jap.«
    »Wie?«
    »Hab ich noch nicht entschieden.«
    »Ich dachte, du wärst mit der Liste fertig.«
    »Nein.«
    »Ich hab gedacht, nach dem Auto, nach allem, was passiert ist …«
    »Nein, Dad, ich bin noch nicht fertig.«
    Früher habe ich gedacht, Dad könnte alles, mich vor allem und jedem retten. Kann er aber nicht, er ist auch bloß ein Mensch. Mum legt den Arm um ihn, und er lehnt sich an sie.
    Ich sehe sie genau an. Meine Mutter. Meinen Vater. Sein Gesicht liegt im Schatten, die Spitzen ihrer Haare sind im Licht. Ich halte ganz still. Cal neben mir auch.
    »Wow!«, flüstert er.
    Das tut mehr weh, als ich mir je vorgestellt hätte.
    In der Küche spüle ich meinen Mund mit Wasser und spucke es aus. Meine schleimige Spucke wird so langsam zum Ausguss gezogen, dass ich mehr Leitungswasser hinterherjagen muss. Das Spülbecken ist kühl an meiner Haut.
    Ich schalte das Licht aus und beobachte meine Familie durch das Fenster. Zusammen stehen sie auf dem Rasen und schauen die letzten Feuerwerkskörper durch. Dad hält jedes Stück hoch und beleuchtet es mit der Taschenlampe. Sie suchen eins aus, schließen die Schachtel und gehen zu dritt an das hintere Gartenende.
    Vielleicht bin ich tot. Vielleicht wird da nie noch was sein. Die Lebenden werden in ihrer Welt weitermachen – sich berühren, gehen. Und ich werde in dieser leeren Welt bleiben und lautlos gegen die Glasscheibe zwischen uns pochen.
    Ich gehe zur Haustür hinaus, ziehe sie hinter mir zu und
setze mich auf die Treppenstufe. Im Gestrüpp raschelt es, als würde irgendein Nachttier versuchen, sich vor mir zu verstecken, aber ich raste nicht aus, bewege mich nicht mal. Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, sehe ich den Zaun und die Sträucher an seinem Rand. Die Straße hinter dem Tor kann ich ziemlich deutlich erkennen, das Laternenlicht, das auf den Asphalt fällt, schräg über die Autos anderer Leute, reflektiert von ihren leeren Fenstern.
    Ich rieche Zwiebeln. Döner. Wenn mein Leben anders wäre, würde ich jetzt mit Zoey um die Häuser ziehen. Wir würden Pommes essen, an einer Straßenecke stehen und unsere salzigen Finger ablecken, drauf warten, dass was passiert. Stattdessen bin ich hier. Tot auf der Türschwelle.
    Ich höre Adam, bevor ich ihn sehe, das kehlige Röhren seiner Maschine. Als er näher kommt, versetzt der Krach die Luft so in Schwingungen, dass es aussieht, als würden die Bäume tanzen. Er hält

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