Bevor ich sterbe
Cal kommt reingestürmt.
»Du hast mir Jonglierkeulen geschenkt!«, verkündet er. Mit großen, staunenden Augen baut er sich vor Adam auf. »Woher hast du gewusst, dass ich mir die gewünscht hab? Die sind so was von cool! Guck mal, ich kann’s schon fast.«
Es ist hoffnungslos mit ihm. Keulen sausen kreuz und quer durchs Wohnzimmer. Adam hebt sie lachend auf und probiert es selber aus. Er ist überraschend gut darin, fängt die Dinger siebzehnmal, ehe sie ihm hinfallen.
»Glaubst du, du könntest das mit Messern?«, fragt Cal ihn. »Denn ich hab mal so einen Mann gesehen, der mit’nem Apfel und drei Messern jongliert hat. Er hat den Apfel in der Luft geschält und gegessen. Kannst du mir das beibringen, bevor ich zwölf werde?«
»Ich helf dir üben.«
Wie gut sie miteinander auskommen, sie werfen sich gegenseitig die Keulen zu. Wie locker sie über die Zukunft reden können.
Adams Mutter kommt rein und setzte sich neben mich aufs Sofa. Wir geben uns die Hand, was irgendwie eigenartig ist. Ihre Hände sind klein und dürr. Sie sieht müde aus, wie nach einer langen Reise.
»Ich heiße Sally«, sagt sie. »Wir haben auch für dich ein Geschenk.«
Sie überreicht mir eine Präsenttüte. Darin ist eine Schachtel Pralinen. Nicht mal eingepackt ist sie. Ich hole sie raus und drehe und wende sie auf dem Schoß.
Cal hält ihr die Jonglierkeulen hin. »Willst du es mal probieren?« Sie guckt zweifelnd drein, steht aber doch auf. »Ich zeige es dir«, sagt er.
Adam setzt sich auf den frei gewordenen Platz neben mich auf das Sofa. »Du hast mich nicht vergrault.«
Er lächelt. Ich lächle zurück. Ich will ihn berühren, aber das geht nicht, weil Dad hereinkommt, in einer Hand die Sherryflasche, in der anderen das Tranchiermesser, und verkündet, dass das Essen auf dem Tisch steht.
Wir haben Berge von Essen. Dad hat einen Truthahn gebraten, Bratkartoffeln und Kartoffelpüree, fünf verschiedene Gemüse,
Füllung und Soße gemacht. Er hat seine Bing-Crosby-CD aufgelegt, und altmodische Klänge über Schlittenglocken und Schnee umwehen uns beim Essen.
Ich hatte gedacht, die Erwachsenen würden rumsitzen, über Hypotheken reden und generell langweilig sein. Aber weil Mum und Dad etwas angeheitert sind, albern sie auf angenehme Art miteinander rum, ohne dass es peinlich wird.
Nicht mal Sally kann sich ein Lächeln verkneifen, als Mum die Geschichte erzählt, wie ihre Eltern ihr den Umgang mit Dad verboten, weil er ihnen zu unterschichtig war. Sie erzählt von Privatschulen und Debütantinnenbällen, wie sie ihrer Schwester regelmäßig nachts das Pony geklaut hat und quer durch die ganze Stadt zur Sozialsiedlung geritten ist, um Dad zu besuchen.
Bei der Erinnerung daran lacht er. »Es war nur ein kleiner Ort, aber ich hab genau am anderen Ende gewohnt. Eines Samstags war dieses arme Pony so fix und alle, dass es danach nie wieder ein Reiterspiel gewonnen hat.«
Mum schenkt Sally Wein nach. Cal führt einen Zaubertrick mit dem Buttermesser und seiner Serviette vor.
Vielleicht erlauben Sallys Medikamente ihr den Kontakt zu anderen Welten, denn wie Cal die Serviette bewegt, ist überdeutlich zu erkennen, aber sie sieht ihn staunend und bewundernd an.
»Kannst du noch mehr?«, fragt sie.
Er ist entzückt. »Jede Menge. Zeig ich dir später.«
Adam sitzt mir gegenüber. Unter dem Tisch berührt mein Fuß seinen. Das spüre ich in jeder Faser meines Körpers. Ich sehe ihm beim Essen zu. Als er einen Schluck Wein trinkt, stelle ich mir vor, wie seine Küsse jetzt schmecken würden.
»Komm, wir gehen nach oben«, gebe ich ihm mit Blicken zu verstehen. »Jetzt gleich. Hauen wir ab.«
Was würden sie machen? Was könnten sie machen? Wir können uns ausziehen, in mein Bett steigen.
»Knallbonbons!«, ruft Mum. »Wir haben vergessen, die Knallbonbons aufzuziehen!«
Wir haken uns unter und halten jeder sein Ende eines Bonbons fest, bilden eine Weihnachtskette um den Tisch. Hütchen, Witze und Plastikspielsachen fliegen über den ganzen Tisch, als wir ziehen.
Cal liest seinen Witz vor. »Wie lässt sich Supermann umtaufen, nachdem er von einer Dampfwalze überrollt wurde?« Keiner weiß es. » Flachmann!« , ruft er.
Alle lachen, außer Sally. Vielleicht denkt sie an ihren verstorbenen Mann. Mein Witz ist doof, über einen Betrunkenen, der sich im Aquarium über ein Schild freut, auf dem »Bar« steht, aber er hat es nicht zu Ende gelesen und steht vor den Barracudas. Der von Adam ist überhaupt kein Witz,
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