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Bevor ich verbrenne

Bevor ich verbrenne

Titel: Bevor ich verbrenne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaute Heivoll
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Arbeit gefunden, da war es auch nicht schlimm, dass er tagsüber schlief.
    Es war eine einsame Arbeit. Oft saß er allein in dem Wächterhäuschen mit der Aussicht auf die Rollbahn und die hereinkommenden Flüge. Um Mitternacht, wenn es am dunkelsten, aber dennoch ganz klar war, sah er die Flugzeuge aus dem Nichts heranschweben. Ein blinkender Punkt, der erst aussah, als würde er stillstehen, aber dann wuchs die Lichtquelle und er sah das Blinken der beiden kleinen Lampen, die ganz außen an den Flügeln saßen. Erst dann hörte er, wie der Lärm sich näherte, der wie ein Donner über den Himmel rollte. Ein kräftiger Scheinwerfer wurde eingeschaltet. Wie ein Boot, das das Meer unter sich erleuchtete. Er zählte die Sekunden. Der Rumpf des Flugzeugs schwebte über dem schwarzen Topdalsfjord. Die Flügel wippten von einer Seite zur anderen. Er stellte sich vor, dass es plötzlich abkippte oder ein Motor Feuer fing, wie es sich mit einem Schleier aus Feuer und Rauch über den Himmel schleppte, bevor es auf die Rollbahn schlug und davonschlidderte.
    Er stand am Fenster des Wächterhäuschens und spürte, wie das Glas bebte. Die Räder der Maschine berührten den Boden mit zwei kurzen Geräuschen, die wie Schreie klangen. Das Flugzeug sauste davon, es knisterte in den Flügelspitzen, dann verlangsamte sich das Tempo, die Maschine stoppte, drehte am Ende der Rollbahn und kam gemächlich zurück zum Kontrollturm.
    So verfolgte er jedes einzelne Flugzeug, das vom Himmel schwebte. Er konnte sich auf nichts anderes konzentrieren. Er musste sich die Augen reiben. Er fühlte sich auf eine bestimmte Art müde, gleichzeitig war er sonderbar klar und wach. Er lehnte die Stirn an die Scheibe. Die Flugzeuge kamen. Sie sanken. Landeten. Er glaubte, die Menschen sehen zu können, die hinter den kleinen Fenstern saßen, wie sie lachten und sich wohl fühlten, sie prosteten sich zu und sangen.
    Einige Stunden später fuhr er nach Hause. Es war bereits hell, aber er fühlte sich wie benommen, als wäre er im Kino gewesen und hätte einen siebenstündigen Film gesehen. Hin und wieder hielt er an einer öden Ausweichstelle und öffnete die Wagentür, ging an den Waldrand, zündete sich eine Zigarette an, warf sie aber nach einigen wenigen Zügen fort, blieb einen Augenblick stehen und starrte ins reglose Geäst.
    Wenn er nach Skinnsnes zurückkehrte, saßen Alma und Ingemann in der Küche beim Frühstück, und wenn er am Tisch Platz nahm, schien es, als hätten sie hier die ganze Nacht gesessen und auf ihn gewartet. Alma schnitt Brot und goss ihm Milch ins Glas und dampfenden Kaffee in die Tasse, die daneben stand. Es war beinahe wie in alten Zeiten, wenn er aus dem Gymnasium in der Stadt kam und Neues zu erzählen hatte. Sie erkundigten sich, wie es bei der Arbeit gewesen sei, und er antwortete, alles sei gut gegangen. Und das war die Wahrheit. Es gab nicht sehr viel zu berichten. Es passierte ja nichts. Die Flugzeuge kamen und gingen. Er saß da und hielt Wache, und nichts geschah.
    »Kein Brand in Kjevik?«, fragte Ingemann scherzhaft.
    »Auch kein Brand hier?«, fragte Dag zurück.
    Ingemann schüttelte den Kopf. Alma sagte nichts, dann ging er hinauf in sein Zimmer, um zu schlafen.
    So war das. Zehn Tage vergingen und nichts geschah.
    Eines Nachts nahm er sein Gewehr mit. Ein Kleinkalibergewehr. Kalibe r 22LR. Er hatte es sich für sein Konfirmationsgeld gekauft und früher bei den Schießwettkämpfen benutzt. Außerdem hatte er sich ein Zielfernrohr angeschafft, ein Hawke. Er legte das Gewehr auf den Rücksitz seines Wagens, versteckt unter ein paar Kleidungsstücken. Dann nahm er es mit in das Wächterhäuschen. Er wartete auf das letzte Flugzeug. Laut Plan sollte es um 23:3 4 Uhr eintreffen. Er fühlte sich ruhig und klar, aber gleichzeitig auch müde. Er legte sich einen Moment auf das allzu kurze Sofa, das in der Ecke stand, schloss die Augen, öffnete sie wieder. Er hatte doch fast den ganzen Tag geschlafen. Trotzdem diese merkwürdig zähe Müdigkeit. Er drehte das kleine Radio auf dem Fensterbrett auf und fand die richtige Frequenz, eine WM-Übertragung aus Argentinien, Österreic h – Schweden. Das Radio rauschte, und er musste sich konzentrieren, um zu verstehen, was sich im Stadion abspielte. Nach vierzig Minuten schoss Hans Krankl für Österreich mit einem knallharten Schuss aus dem Sechzehner ein Tor.
    Dann kam das Flugzeug, eine Braathens-Maschine aus Stavanger.
    Er lief zum Fenster, aber es war fast unmöglich, das

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