Bevor mir der Tod die Augen schließt (Ein-Linnea-Kirkegaard-Krimi) (German Edition)
wenigen Monaten in diesem Amt die Hände schmutzig gemacht. Jedenfalls überraschte es Warwick nicht, dass sie ihn plötzlich angerufen und herbeibeordert hatte, um ihn schnellstens ins Bild zu setzen. Und deshalb war er jetzt auf dem Weg ins Verteidigungsministerium am Holmens Kanal. Er konnte aus dem Fenster des Vorzimmers über Christiansborg auf Slotsholmen blicken und darüber philosophieren, auf welch engem Raum die gesamte Macht des Landes versammelt war.
»Sie müssten jeden Moment so weit sein. Darf ich Ihnen in der Zwischenzeit einen Kaffee anbieten?«
»Nein, danke.«
Warwick brachte es nicht über sich, das Angebot anzunehmen. Immerhin kam die Frage nicht von einer Sekretärin, sondern von einem Beamten, der sich darauf erleichtert in sein Büro zurückzog. Warwick wusste, dass er selbst ebenfalls als anonymer Ministerialbeamter durchging, in seinem dunkelgrauen Anzug von Zornig in Frederiksberg. Er hoffte jedoch, dass er zumindest etwas gesünder aussah als der Mann, mit dem er gerade gesprochen hatte. Der Beamte hatte einen nervösen Eindruck gemacht, und die roten Flecken auf seinen Wangen ließen vermuten, dass das gesamte Ministerium gerade im doppelten Tempo arbeiten musste. Etwas war auf jeden Fall im Gange, wenn sich die Chefin des Abschirmdienstes um eine solche Zeit mit dem Ministerialdirektor traf. Und wenn Warwick nicht alles täuschte, war es sogar der Verteidigungsminister höchstpersönlich, den er an dem langen Tisch erspäht hatte, als ein Sekretär die Tür geöffnet hatte und hinausgeeilt war, um eine Akte aus dem Vorzimmer zu holen. Der Verteidigungsminister, und vielleicht sogar ein Repräsentant des NATO -Büros. Nora Levitan hatte dann auch ziemlich gestresst geklungen, als sie Warwick zu einem kurzen Briefing in der Pause herbeizitierte. Wenn so viele hohe Tiere versammelt waren, musste es jedenfalls um etwas anderes gehen als die üblichen Kompetenzstreitigkeiten zwischen den einzelnen Instanzen.
Warwick setzte sich in den Sessel, den man ihm bei seiner Ankunft zugewiesen hatte. Die Frage war, ob eine Kurzfassung überhaupt möglich war?
Mitten im November war er in großer Eile in den Golf von Aden entsandt worden, um die unglückliche Lage zu retten, in die die Esbern Snare bei ihrer Auseinandersetzung mit den Piraten geraten war. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Entführer die Persephone schon seit vierundfünfzig Tagen in ihrer Gewalt. Die Verhandlungen mit den Piraten standen kurz vor dem Durchbruch, und die Reederei hatte bereits einen ehemaligen deutschen KSK- ler aus ihrer eigenen Sicherheitsabteilung angeheuert, der als Kampftaucher trainiert und auf Anti-Terror-Einsätze spezialisiert war. Der Deutsche sollte die Übergabe von eineinhalb Millionen Dollar über die Bühne bringen, mit der in Sporttaschen verpackten Geldsumme vom Flughafen Roskilde starten und sie später in einige längliche Container umladen, die unter einem speziellen Transportflugzeug montiert und mit Fallschirmen über dem Wasser abgeworfen werden konnten, sobald die Piraten ihren Proof of Life geliefert und die Besatzung an Deck gebracht hatten. Üblicherweise würden die Piraten dann mit ihren Schlauchbooten aufs Meer hinausfahren, die Container herausfischen und die Beute unter sich aufteilen. Das Schiff würden sie nach einigen Tagen wieder verlassen.
Die Persephone wäre mit anderen Worten innerhalb von wenigen Wochen befreit gewesen, das Schiff hätte mit seiner heiklen Last weiterfahren können, und niemand hätte je davon erfahren. Doch dann hatte eins der gefangenen Besatzungsmitglieder seine Chance ergriffen, als einer der Wächter wegen seines Khat-Konsums nahezu bewusstlos gewesen war. Ihm war es gelungen, bis zu den Notraketen des Schiffs zu gelangen und zwei davon abzufeuern, ehe die Piraten ihn entdeckt und fast totgeprügelt hatten. Die Esbern Snare lag drei Seemeilen entfernt und hatte die Anweisung erhalten, sich abwartend zu verhalten, aber die Notrakete brachte sie dazu, in Aktion zu treten. Der Kommandant T. P. Eskildsen fürchtete, die Piraten hätten begonnen, die Geiseln hinzurichten, um die Verhandlungen in Gang zu bringen. Er war sofort eingeschritten, und das bekannte Ergebnis waren neun getötete Piraten. Für sich genommen stellte das noch kein Problem dar, aber wenn das Blutvergießen irgendwie nach außen drang, würde der Fall mit Sicherheit in den internationalen Medien auftauchen und damit auch Aufmerksamkeit auf die Persephone ziehen. Aus diesem Grund hatte
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