Bewahre meinen Traum
aussahen wie auf den Leib geschnitten. Und er stand ganz eindeutig auf Dare, die ihn auf eine Bank dirigierte und ihm den Kleidersack reichte, den sie in der Hand hielt.
„Da ist es“, erklärte Francine. „Zurück von den finalen Änderungen.“
Olivia schob ihre Hand in Jennys und hielt sie ganz fest, während Dare mit einer Verbeugung den Kleidersack öffnete. Als Freddy ehrfürchtig das Kleid samt Schleier hervorholte, war sogar Nina berührt. Es war einfach wunderschön, ein Designerkleid aus elfenbeinfarbener Seide mit einer Korsage, die mit Kristallperlen und zauberhaften Girlanden aus zartestem Tüll verziert war.
„Es ist unglaublich“, sagte Jenny. „Das ist das schönste Kleid, das ich je gesehen habe.“
Olivia lachte erleichtert auf. Nina nahm an, dass sie sich Sorgen gemacht hatte, ob ihre Schwester neidisch sein würde, aber das war völlig überflüssig. Jenny und Rourke hatten sich entschieden, schnell und in aller Stille zu heiraten – und Nina wusste, dass Jenny ihrer Schwester all den Wirbel und die Aufregung überhaupt nicht neidete. Olivia kletterte neben Freddy auf die Bank und setzte sich den Schleier auf, während sie sich das Kleid anhielt. Nina war erstaunt, einen leichten Kloß im Hals zu verspüren. Irgendwas am Anblick einer Braut … Olivia da so stehen zu sehen, strahlend vor Freude, einen Traum verkörpernd, den Nina sich nie zu träumen erlaubt hatte.
Sie sah zu, wie die anderen sich um Olivia versammelten und das Kleid gebührend bestaunten. Aus keinem anderen Grund als ihrer eigenen Unsicherheit fühlte sie sich in dieser Gruppe wie eine Außenseiterin. Die angeheuerte Hilfe und nicht ein Teil der Familie. Es war diese uralte, unsichtbare Grenze, die in einer Stadt wie Avalon immer existierte – die Sommerleute und die Einheimischen. Sie wusste, dass es eine falsche Trennung war, vor allem jetzt, aber dennoch war sie sich ihrer nur zu bewusst.
Während alle durcheinandersprachen, kam noch jemand. Anfangs bemerkte nur Nina sie. Sie war groß und selbstbewusst, trug einen beigefarbenen Designeranzug, eine große Designersonnenbrille und eine Chanel-Handtasche. Jedes blonde Haar saß an seinem Platz, und ihr Make-up war perfekt und doch leicht. Sie hätte direkt aus den Society-Seiten der Zeitung entstiegen sein können. Als Nina dämmerte, wer das war, geriet ihre Welt ins Wanken.
„Sophie!“ Francine hatte sie gesehen und schrie erfreut auf. „Du hast es geschafft? Hey, Leute, Sophie ist da.“
Die Ohs und Ahs verlagerten sich von dem Kleid auf den Neuankömmling – Sophie Bellamy, Gregs Exfrau. Sie kam in ihre Mitte, lächelte, umarmte alle und verteilte Luftküsschen. Jenny und Nina tauschten einen Blick, dann schauten sie sehnsüchtig auf die Schwingtüren zur Küche. Jenny schüttelte den Kopf. Sie hat recht, dachte Nina. Es war das Beste, es hinter sich zu bringen. Aber, oh Mann. An der Art, wie die Leute sie mit kaum verhohlener Anspannung beobachteten, wusste sie, dass sich alle auf ein Drama gefasst machten. Verdammt, dachte sie. Wusste denn jeder im Raum über sie und Greg Bescheid? Oh Gott – wusste Sophie es womöglich?
„Das hier ist Jenny“, sagte Olivia und zog ihre Schwester zu sich. „Meine Halbschwester. Und das ist Jennys Freundin Nina.“
„Nett, Sie kennenzulernen“, sagte Nina. Ihr Lächeln war breit und ehrlich, ein Trick, den sie in ihren Tagen als Politikerin perfektioniert hatte. „Nina Romano.“
Sie wurde mit einem ebenso ehrlichen Lächeln begrüßt. Ganz offensichtlich war Sophie die Politik auch nicht fremd. „Es ist so schön, Sie persönlich kennenzulernen. Sonnet ist ein echter Sonnenschein. Als sie mich in Den Haag besucht hat, hat sie mir so viel von Ihnen erzählt.“
Okay, sie hatte die Neuigkeiten also noch nicht gehört. Entweder das, oder ihrer Vorstellung gebührte ein Oskar. Ninas Hals juckte, aber sie unterdrückte den Drang, sich zu kratzen. Sie wünschte, sie hätte sich heute die Zeit genommen, sich besser anzuziehen. Vielleicht zehn Sekunden, um ein wenig Lippenstift aufzulegen. Denn Sophie war umwerfend auf eine so elegante Weise, dass Nina sich wie die letzte Schlampe fühlte. „Danke“, sagte Nina. „Und auch vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, ihr Den Haag zu zeigen.“
„Glauben Sie mir, das war mir ein Vergnügen. Ich wünschte nur, meine Kinder würden sich so für die Stadt interessieren, in der ich lebe.“
Wie wäre es, wenn du dich erst mal für deine Kinder interessierst?
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