Bewahre meinen Traum
Sophie immer noch aus zusammengekniffenen Augen misstrauisch beobachtete. Er spürte, wie sie nur darauf wartete, sich auf die Gelegenheit zu stürzen, die Daisy da anbot. Vielleicht sah Sophie es als Chance, ihre Tochter doch noch mit sich nach Übersee nehmen zu können.
Auf gar keinen Fall, dachte er. Nur über meine Leiche.
„Ich werde aus dem Haus ausziehen“, sagte Daisy.
„Daisy, jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt …“
„Ich muss an mein eigenes Leben denken, meine Zukunft. Ich bin nicht sicher, wie sie aussieht, aber ich weiß, wie sie nicht aussehen soll. Sie ist nicht hier im Inn. Es ist die einzige Zukunft, dich ich habe, und ich will sie nicht damit verbringen, etwas zu tun, nur weil ich denke, dass es von mir erwartet wird. Oder weil jemand anderes sagt, es wäre das Beste für mich.“
Hundert Entgegnungen lagen Greg auf der Zunge. Er versuchte, sie zurückzuhalten, doch das gelang ihm nicht. „Dein Leben ist hier“, sagte er.
„Ja, vielleicht ist es wirklich hier“, sagte Daisy. „Vielleicht aber auch nicht. Der Punkt ist, ich muss es selber herausfinden.“
Greg stieg der Geruch nach etwas Verbranntem in die Nase. „Soph“, sagte er.
Sie riss das Bügeleisen hoch. Ein braunes Dreieck prangte auf der Jacke, die sie gerade gebügelt hatte. Sie nahm sie hoch und schüttelt den Kopf. „Ruiniert“, sagte sie. „Und Daisy, du hast ein wundervolles Zimmer und Kinderzimmer im Haus deines Vaters. Warum sagst du, dass du das nicht mehr willst?“
„Ich sagte ja, dass ich das alles zu schätzen weiß“, sagte Daisy schnell. „Aber ich will kein Zimmer. Ich will ein eigenes Leben. Ich werde auch nicht morgen ausziehen, aber ich werde ausziehen. Ich bleibe definitiv bis Weihnachten und warte bis zum Beginn des Frühlingssemesters. Ich will aufs College gehen. Ich habe meine Bewerbung schon nach New Paltz geschickt.“
Greg konnte sich nicht mehr zurückhalten. Das war genau die Art von verrücktem, idealistischem Plan, den er von der alten Daisy erwartet hätte. „Ich versteh das nicht. Himmel noch mal, ich habe das Inn gekauft, weil ich dachte, es wäre ein guter, sicherer Ort, an dem du dein Leben aufbauen kannst.“
„Vielleicht hättest du mich dann vorher fragen sollen“, gab sie schnippisch zurück.
„Vielleicht hättest du mich vorher fragen sollen, bevor du dich hast schwängern lassen“, gab er genauso schnippisch zurück. Oh Mist. Hatte er das wirklich gesagt? Er sah den Ausdruck auf dem Gesicht seiner Tochter. Ja. Er hatte es gesagt. „Daze, tut mir leid, das habe ich nicht so gemeint.“
„Ich weiß, Dad. Glaub mir, ich weiß.“ Sie verzog das Gesicht, als hätte sie Schmerzen, und drückte ihre Hand gegen ihr Kreuz.
„Das alles kommt für mich nur vollkommen überraschend. Liebes, weißt du, wie schwer das werden wird?“
„Viele Dinge sind schwer. Golf. Den Mount Everest zu besteigen. Ein Kind zu gebären. Das hält die Leute aber trotzdem nicht davon ab, es zu tun.“
Greg schaute Sophie an. „Könntest du bitte auch was dazu sagen?“
Sie reckte ihr Kinn. „Daisy ist eine erwachsene Frau. Ich werde ihr ganz gewiss nicht sagen, was sie tun soll.“
„Mom hat recht.“ Daisy schaltete sich ein, bevor die Situation zwischen den beiden eskalieren konnte. „Ich muss einfach alleine leben.“
„Das ist verrückt.“ Greg schüttelte den Kopf. „Du musst bei deiner Familie leben. Du wirst dich um ein Baby kümmern müssen.“
„Nur ein Wort, Dad“, erinnerte ihn Daisy. „Treuhandfonds. Grandpa hat jedem seiner Enkelkinder einen eingerichtet.“
Richtig, dachte Greg. Er knirschte mit den Zähnen, um sich von einer Erwiderung abzuhalten. Wieder ohne Erfolg. „Du bist zu jung. Ich lasse das nicht zu.“
„Dad, hör mir doch zu. Es ist mein Leben. Meine Entscheidung. Nina hat gesagt …“
„Nina?“, fragte Sophie. „Was hat sie damit zu tun, dass du dein Leben findest?“
Greg hatte das Gefühl, jemand hätte ihm in den Magen geboxt. Das war nicht das erste Mal, dass er diese Worte hörte. Daisy hatte mit Nina gesprochen. Das hatte sie ihm gesagt. Sie wusste, dass das hier passieren würde. Aber woher? „Nina hat dir geraten, so eine halb gare Aktion durchzuziehen?“
„Nein, die Entscheidung habe ich selber getroffen. Und sie ist nicht halb gar. Es ist, was ich will. Ich weiß, dass es sicher ist, bei dir zu bleiben – und zwar für lange Zeit. Ich habe versucht, mir einzureden, dass das der beste Plan ist. Dann ist mir aber bewusst
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