Bewahre meinen Traum
Händen und den guten Schuhen, die unter der Robe herausschauten. Nina hatte den Begriff „verrückt nach Jungs“ schon mal gehört, aber jetzt erst verstand sie, was damit gemeint war. Sie machten sie wirklich verrückt, in dem Sinn, dass sie sie von allem ablenkten und sie Tag und Nacht nur noch daran denken konnte, mit ihnen herumzumachen.
Als nach der Lamm-Gottes-Liturgie alle sich auf die Knie sinken ließen, warf sie über die Schulter einen Blick zu Jenny, die mit ihren Großeltern ein paar Reihen weiter hinten saß. Die drei sahen so proper und verschlossen aus, ganz das Gegenteil der flüsternden, herumruschelnden Romano-Bande. Aber Jenny merkte nicht, dass Nina versuchte, ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Wie so oft sah Jenny aus, als wäre sie Millionen Meilen weit weg.
Nina richtete den Blick wieder nach vorne und versuchte, ihren Kopf während des Kanons leer zu lassen. Jedes Mal führte sie wieder eine erbitterte Diskussion mit sich, ob sie zur Heiligen Kommunion gehen sollte oder nicht. Die Katholiken nahmen die Kommunion sehr ernst. Kein Wunder, dass man vorher alle seine Sünden beichten sollte. Denn das Sakrament war für die Leute reserviert, deren Seelen fleckenlos rein waren, die so blitzeblank aus dem Beichtstuhl herausgekommen waren wie ein Sportler aus der Dusche.
Nina ging zur Beichte – und zwar oft. Erst gestern hatte sie mit vor Scham rauer Stimme der ominösen Präsenz auf der anderen Seite des Gitters erzählt, wie sie sich vor ihren Pflichten gedrückt, Schwester Immaculata bezüglich ihrer Katechismus-Hausaufgaben angelogen und unreine Gedanken über einen der Messdiener gehabt hatte. Und selbst das war eine Lüge, wenn sie genau darüber nachdachte. Ihre Gedanken waren sehr rein gewesen – reine Lust.
Sicher, sie hatte ihre Buße getan, Vaterunser und Rosenkränze gebetet, bis ihre Knie taub waren, aber danach war sie gleich wieder ihrer sündigen Wege gegangen. In gerade dieser Sekunde saß sie vor Gott und dachte daran, wie sie sich heute Abend auf die Party schummeln würde, um einen Jungen zu finden, mit dem sie herummachen könnte.
„Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach“, rezitierte sie gemeinsam mit der Gemeinde. „Aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“
Das half ihr allerdings auch nicht bei der Entscheidung, ob sie an der Kommunion teilnehmen sollte oder nicht. In Gedanken wog sie das Pro und Kontra ab. Wenn sie sitzen bliebe, würde jeder wissen, dass sie eine Sünderin war und ihre Buße nach der Beichte nicht getan hatte. Wenn sie aufstand und nach vorne ging, würden die Menschen denken, dass sie löge oder unehrlich wäre, denn kein Kind war frei von Sünde, abgesehen vielleicht von Jenny. Nina wünschte, es gäbe eine Lösung für die Leute dazwischen, die nicht perfekt waren, aber versuchten, es zu sein. Nach Perfektion Strebende, könnte man sie vielleicht nennen. Sollte es nicht auch eine Belohnung für Menschen geben, die danach strebten, gut zu sein, auch wenn es ihnen die meiste Zeit über nicht gelang?
Die Leute stellten sich im Gang schon in Reihen auf. Nina hatte sich entschlossen, sitzen zu bleiben und ihre Freunde und Familie darüber spekulieren zu lassen, in was für einem ruchlosen Zustand sich ihre Seele befand, dass sie sich die Heilige Kommunion versagte. Dann sah sie, dass Father Reillys Helfer, der den Kelch mit den Hostien hielt, Grady Fitzgerald war. Vor einem Jahr war er ein dürrer, pickliger, langweiliger Junge gewesen. Jetzt war er groß und süß, inklusive des pfirsichfarbenen Flaums auf seiner Oberlippe. Und er sah Nina auf diese besondere Art an, da war sie sich sicher.
Das war ein Zeichen. Ein Zeichen, dass sie an der Kommunion teilnehmen sollte. Sie sprang auf die Füße und stellte sich in die Reihe. Jeder Schritt brachte sie Grady näher. Als sie an der Reihe war, sollte sie ihren Kopf in den Nacken legen und ihren Mund leicht öffnen, während der Priester sagte: „Der Leib Christi.“
Stattdessen behielt sie jedoch die Augen offen und fest auf Grady gerichtet. „Amen“, flüsterte sie heiser und fühlte, wie die Oblate sich auf ihrer Zunge auflöste. Sie kehrte an ihren Platz zurück, wo sie sich eigentlich hinknien und über das Wunder der Wandlung Christi nachdenken sollte. Doch sie kniete sich hin, schloss ihre Augen und drückte ihre Hände gegen die Stirn. Sie hatte einen neuen Tiefpunkt erreicht. Sie hatte das heilige Sakrament der Kommunion als Chance genutzt, um mit
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