Bewahre meinen Traum
verkaufte zwei Karten für das neue Hitmusical Miss Saigon . Vor ihren Augen verschwamm alles, doch dann wurde ein hellgelber Flyer vor ihren Augen auf einmal klar sichtbar. Willkommen, Kadetten! Gemeindetreffen im Avalon Meadows Country Club. Jedes Jahr gab es für die neuen West-Point-Kadetten eine große Abschiedsparty, ihre letzte Feier, bevor sie in die strenge Welt der United States Military Akademie eintraten. Zutritt zu der Feier erst ab 18.
Der untere Rand des Flyers war mehrfach eingeschnitten, damit man die Telefonnummer zum Reservieren eines Tickets abreißen konnte. Nina kannte bereits einen der Anwärter – Laurence Jeffries aus Kingston. Sie hatte mit ihm bei Football- und Baseballspielen geflirtet, und er hatte keine Ahnung, wie alt sie war. Er würde sie in den Country Club bringen. Entschlossen riss sie eine Telefonnummer ab und steckte sie in die Tasche.
Sie warf noch einen letzten Blick über ihre Schulter zu Greg Bellamy. Wenn er netter zu ihr gewesen wäre, wäre sie jetzt immer noch im Speisesaal und würde Kuchen essen. Also wenn sie sich jetzt in Schwierigkeiten brächte, wäre das ganz allein Gregs Fehler.
Nina hatte keine Probleme, sich als Achtzehnjährige auszugeben. Sie und ihre Schwestern sahen alle gleich aus. In der Kirche und beim Katechismus wurden sie andauernd verwechselt. Nina war an Sonntagen schon Loretta, Giuliana, Maria und sogar Vicki genannt worden – das war ihre Mutter. Alles, was sie wusste, hatte sie von ihren hübschen, beliebten Schwestern gelernt. Sie hatte ihre kichernden Unterhaltungen über Jungs und Sex belauscht. Hatte bis spät in die Nacht mit ihnen zusammengesessen und zugehört, wie sie ihre Verabredungen ganz genau auseinandernahmen. Dank ihrer Schwestern wusste Nina, wie man uneingeladen auf eine Party kam, mit einem Jungen flirtete, wie ein Zungenkuss ging und was Safer Sex war.
Die West-Point-Feier war für Sonntagabend angesetzt. Nina plante, so lange zu warten, bis Maria unter der Dusche war. Dann würde sie an das Portemonnaie ihrer Schwester gehen und sich ihren Führerschein nehmen.
An dem Morgen, als alle durcheinanderliefen und sich für die Kirche fertig machten, erzählte sie ihren Eltern die übliche Geschichte, dass ihre Freundin Jenny sie eingeladen hatte, bei ihr zu übernachten. Wobei sie sich das vermutlich auch hätte sparen können, denn alle waren mit tausend anderen Dingen beschäftigt, und ihr Vater organisierte mal wieder eine Spendensammlung für einen weiteren Kandidaten.
„Ist es nicht frustrierend, zu sehen, wie Pop all das Geld für andere Menschen sammelt?“, fragte Nina ihre Mutter, als sie alle vor der Kirche aus dem Van stiegen. Pop war als Erster herausgesprungen, um sich zu einer Gruppe Geschäftsmänner zu gesellen, die vor dem Eingang standen. Carmine war die Aufgabe übertragen worden, einen Parkplatz für den ungelenken Wagen zu finden, der einmal ein Airport-Shuttle gewesen war. Ihr Dad hatte ihn für einen Apfel und ein Ei gekauft, und es war das einzige Auto, in das sie alle hineinpassten.
„Ich meine“, fuhr Nina fort, „er sammelt Geld, um Radiowerbung zu schalten, und wir können es uns nicht einmal leisten, Anthonys Zähne richten zu lassen.“
Ma lächelte immer nur, wenn Nina so etwas sagte. „Es ist nun mal etwas, das deinem Vater sehr am Herzen liegt. Etwas, woran er glaubt.“
„Was ist mit dem, woran du glaubst, Ma? Glaubst du nicht daran, dass man öfter als alle zehn Jahre einen neuen Wintermantel bekommen sollte oder die Stromrechnung bezahlen können, ohne sich in Schulden zu stürzen?“
„Ich glaube an deinen Vater“, erwiderte Ma ernst. Und wie sie das tat. In ihren Augen konnte Giorgio Romano nichts falsch machen. Um fair zu sein, Pop war genauso verrückt nach Ma. Er ging jeden Sonntag mit ihr zum Hochamt in die Kirche und saß dort, ohne mit der Wimper zu zucken, wenn sie ohne das geringste Zögern zehn Prozent ihrer wöchentlichen Einnahmen in den Klingelbeutel legte, weil Ma an das Zahlen des Zehnten glaubte.
In jungen Jahren entschied Nina, dass Männer, die ihren Passionen folgten, für sie nur von geringem Interesse waren. Allerdings hatte sie selber eine geheime Leidenschaft, und zwar für Jungs. Sogar in der Kirche ertappte sie sich dabei, wie sie ein Auge auf die Jungen hatte. Die Messdiener, die in ihren roten Roben und weißen Chorhemden so vertrottelt ausgesehen hatten, wirkten auf sie jetzt unwiderstehlich sexy, mit ihren Adamsäpfeln, den großen, eckigen
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