Bewahre meinen Traum
weißt das besser als ich –, die Jugendjahre sind nicht halb so aufregend, wie alle behaupten.“ Sie schnappte sich noch ein paar weitere Kleider und marschierte Nina voran zu den Umkleidekabinen.
„Greg hat Kinder“, sagte Nina, während sie eines der Kleider anprobierte. „Und bald ein Enkelkind.“
„Hast du was gegen Kinder und Enkel?“
„Nein. Aber ich bin damit durch.“
Jenny hob eine Augenbraue. „Du hast bei Sonnet fabelhafte Arbeit geleistet, das schaffst du locker noch mal.“
„Locker? Ja, genau. Die Hälfte der Zeit war ich zu Tode verängstigt, etwas falsch zu machen. Es war wie ein Seiltanz ohne Netz über einem Sumpf voller Alligatoren. Warum sollte ich mir das noch mal antun?“
„Weil du gut mit Alligatoren kannst.“
„Das ist ein gewaltiger Sprung von ‚mit ihm ausgehen‘ zu ‚für immer zusammen sein‘.“ Nina trat aus der Kabine und posierte vor dem Spiegel. Sie musste zugeben, dass Jenny ein gutes Auge hatte. Das Kleid war geschäftsmäßig, ohne langweilig zu sein.
„Könntest du ohne weitere Verpflichtungen mit ihm ausgehen?“
„Ich arbeite mit ihm. Und das war’s.“
„Das klingt, als hättest du eine Entscheidung getroffen.“
Nina kaufte schließlich das pfirsichfarbene Kleid und dazu eine passende Strickjacke mit einem dreiviertel langen Arm. Jenny strahlte sie an. „Du wirst sie umhauen.“
„Das soll aber lieber das Inn erledigen.“
„Du kommst mir nervös vor“, bemerkte Jenny. „Du wickelst dir immer eine Strähne um den Finger, wenn du nervös bist.“
Nina ließ ihre Hand sinken. „Tu ich das? Ich schätze, ich bin tatsächlich nervös. Wenn man es genau betrachtet, geht es bei der Eröffnung doch nur darum, ob man gemocht wird oder nicht. Und ich konnte mit Zurückweisungen noch nie so gut umgehen.“
„Lässt du dich deshalb nie auf eine zweite Verabredung mit einem Mann ein? Willst du deshalb nicht einmal darüber nachdenken, mit Greg auszugehen?“
Nina hob schon die Hand, um wieder ihre Haarsträhne zu drehen, ertappte sich aber gerade noch rechtzeitig dabei. „Schluss jetzt damit. Das ganze Anprobieren hat mich hungrig gemacht.“
Sie gingen die Straße hinunter zur Bäckerei. Es war später Nachmittag, und im Café war nicht viel los. Als sie sich gerade an den Kolatschen gütlich taten, kam Laura Tuttle rückwärts durch die Schwingtür, einen Rollwagen mit einer luftigen Hochzeitstorte hinter sich herziehend. „Ein weiterer Tag, eine weitere Torte“, sagte sie.
„Die ist umwerfend“, sagte Nina. Als sie und Jenny klein waren, hatten sie immer mit großen Augen zugeschaut, wenn Laura aus Zuckerguss kleine Blumen und Blätter formte und einfache, bescheidene Zutaten in zauberhafte kulinarische Träume verwandelt hatte. Natürlich hatten sie bei der Planung ihrer Fantasiehochzeiten auch immer erbitterte Diskussionen über die richtige Torte geführt und darüber, ob sie lieber traditionell oder innovativ sein sollte. Als Erwachsene hatte schließlich keine von ihnen eine gehabt, denn Jenny hatte sich mitten im Winter still und heimlich nach St. Croix verabschiedet, um dort zu heiraten, und Nina war gar nicht verheiratet.
„Danke“, sagte Laura. „Die alte Braut lernt doch noch neue Tricks.“
„Hör auf, dich alte Braut zu nennen“, sagte Jenny. Sie wandte sich an Nina. „Sie trifft sich mit meinem Vater, wusstest du das? Sie geht tatsächlich mit Philip Bellamy aus.“
„Unsinn“, schalt Laura sie. „Wir sind nur Freunde, die einander nach langer Zeit wiedergefunden haben.“
„Ja, klar“, sagte Jenny mit einem Augenwinkern.
„Sind glücklich verheiratete Menschen nicht schrecklich?“, sagte Nina zu Laura.
„Wem sagst du das.“ Sie verdrehte die Augen.
Dennoch entging Nina die leichte Röte nicht, die sich in Lauras Wangen stahl. Sie hakte aber nicht nach. Vor allem nicht vor Jenny. Philip Bellamy und Jenny hatten nicht die typische Vater-Tochter-Beziehung und suchten immer noch nach dem richtigen Weg, miteinander umzugehen.
„Ich wünschte, du würdest es zulassen“, sagte Jenny zu Laura. „Du und Philip, ihr kennt euch, seit ihr Teenager wart. Ist es denn möglich, jemanden so lange zu kennen und sich trotzdem noch nicht sicher zu sein?“
Oh ja, dachte Nina. Auf jeden Fall. Es war möglich, ein komplett anderes Leben zu leben.
Jenny betrachtete die Hochzeitstorte mit bewundernden Blicken. „In der ersten Minute, in der ich ihn gesehen habe, wusste ich, dass Rourke und ich füreinander
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