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Bewegungswissenschaft

Bewegungswissenschaft

Titel: Bewegungswissenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wollny
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belegen, dass fehlende oder unzureichende koordinative Reizangebote im Säuglings- und Kleinkindalter den zentralnervösen Reifungsprozess nachhaltig und irreversibel beeinträchtigen. Als negative Folgen gelten neben dem Abbau der neuronalen Verschaltungen kognitive und motorische Entwicklungsrückstände. Gezielte koordinative Übungen können im Säuglings- und Kleinkindalter die optimale Ausbildung des Zentralnervensystems fördern. Neue anatomisch-neurologische und psychologische Studien belegen die Plastizität des Hirns bis ins hohe Alter (Überblick: B ALTES , 1990, 1997).

    Abb. 55: Hirnreifung (Areal des Gyrus frontalis medius) bei einem Neugeborenen und drei, fünf oder 24 Monate nach der Geburt (mod. nach A KERT , 1971, S. 511)
    Für die Beschreibung der somatischen Entwicklung greift die Entwicklungsforschung auf die anthropometrischen Parameter Körpergröße, Körpermasse, Körperstamm (Sitzhöhe, Beckenkammbreite, Brust-, Bauchumfang) und Körperextremitäten zurück (Ober-, Unterarm-, Bein-, Fußlänge, Oberarm-, Oberschenkelumfang; vgl. Abb. 56 und 57). Aus ihren Wachstumsverläufen leitet C RASSELT (1994) vier charakteristische, lebenszeitbezogene Wachstums- und Reifungsphasen ab.
    In der ersten Wachstumsphase (bis neuntes Lebensjahr) bestehen geringe geschlechtsspezifische Unterschiede in der Körpergröße und der Körpermasse. Die größten körperlichen Zuwachsraten zeigen sich bis zum dritten Lebensjahr. Als typisch gilt der „Gestaltwandel“ vom Kleinkind mit untersetzter Körpergestalt (kurze untere Extremitäten, großer Brustumfang) zum Schulkind mit proportionierter Körpergestalt. Eine auffällige Ökonomisierung erfährt das Herz-Kreislauf-System (z. B. Abnahme der Ruhe- und Belastungskennwerte). Insgesamt bestehen gute Voraussetzungen für eine vielseitige motorische Entwicklung des Kindes.

    Abb. 56: Entwicklung der Körperlänge zwischen dem dritten und 62. Lebensjahr (mod. nach C RASSELT , 1994, S. 111)
    In der zweiten Wachstumsperiode (10.-13. Lebensjahr) führt die verstärkte Ausschüttung der Wachstums- und Geschlechtshormone (Mädchen: ab 9. Lebensjahr; Jungen: ab 12. Lebensjahr) sowohl zu einer generellen Zunahme des Körpergewichts (Mädchen, 11.-13. Lebensjahr: Ø 10 kg/Jahr, L OOSCH , 1999; W EINECK , 2004) und der Körpergröße (Mädchen: 6-11 cm/Jahr, Jungen: 7-12 cm/Jahr, B RINKHOFF & B AUR , 1994) als auch zu einer Ausformung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale. Die Ökonomisierung des Herz-Kreislauf-Systems stagniert zunächst, während sich die Sinnesorgane weit gehend ausbilden. Der Höhepunkt des Wachstums und der Reifung liegt bei den Mädchen durchschnittlich im 12. Lebensjahr (Jungen: Ø 14. Lebensjahr). Bis zum 13. Lebensjahr erreichen die Mädchen gegenüber den Jungen einen markanten körperlichen Entwicklungsvorsprung, der ein verstärktes Training der motorischen Basisfähigkeiten ermöglicht, während bei den Jungen die Schulung der Bewegungskoordination und der motorischen Fertigkeiten im Vordergrund stehen sollte.
    In der dritten Wachstumsphase (14.-18. Lebensjahr) verfügen die männlichen Jugendlichen auf Grund der größeren Körperlänge (Ø 10-12 cm) über eine höhere Körpermasse als die weiblichen Jugendlichen. Das Längenwachstum endet bei den jungen Frauen im Durchschnitt mit dem 17. Lebensjahr (Männer: Ø 19. Lebensjahr), bei einigen weiblichen und männlichen Jugendlichen bereits im 14. bzw. 17. Lebensjahr. Während sich die männlichen Jugendlichen in der Phase der optimalen konditionellen Ausbildung befinden, dominiert bei den weiblichen Jugendlichen der Erhalt der motorischen Leistungen, da die Zunahme der Körpermasse das Kraft-Last-Verhältnis negativ beeinflusst.

    Abb. 57: Entwicklung der Körpermasse zwischen dem 3. und 62. Lebensjahr (mod. nach C RASSELT , 1994, S. 111)
    In der vierten Wachstumsphase (20.-62. Lebensjahr) führen die Volumenreduzierung der Zwischenwirbelscheiben, die Schwächung und der Verfall der Haltung zu einer Abnahme der Körpergröße. Das Körpergewicht der Frauen erhöht sich bis zum 55. Lebensjahr und das der Männer bis zum 45. Lebensjahr um durchschnittlich 10 kg.
3.3 Wie entwickeln sich motorische Basisfähigkeiten und sporttypische Fertigkeiten? – Quantitativ-deskriptive Charakterisierung einzelner Lebensphasen
    Legt man die im Sport bekannten Überblicksdarstellungen zur motorischen Ontogenese zu Grunde (W ILLIMCZIK , 1983; B AUR ET AL ., 1994; W INTER , 1998), dann denkt die

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