Bewegungswissenschaft
Entwicklungszeiträume klassifiziert werden (Kap. 3.1)? Wie verläuft die körperliche Entwicklung (Kap. 3.2)? Zu welchenZeitpunkten bilden sich im Lebenslauf die motorischen Basisfähigkeiten, die Bewegungsgrundmuster und die sportmotorischen Fertigkeiten heraus (Kap. 3.3)? Die Darstellung der empirischen Befundlage beschränkt sich auf vier inhaltlich abgrenzbare Lebensphasen: das Neugeborenenalter bis Vorschulkindalter (Kap. 3.3.1), das Schulkindalter (Kap. 3.3.2), das Jugendalter (Kap. 3.3.3) und das Erwachsenenalter (Kap. 3.3.4).
3.1 Wie werden motorische Entwicklungszeiträume klassifiziert?
Klassifizierungen der motorischen Entwicklung erscheinen aus Gründen der Übersichtlichkeit notwendig und hilfreich. Der Versuch der Einteilung der Ontogenese in abgrenzbare Phasen, Perioden oder Stadien blickt in der Entwicklungspsychologie auf eine lange Tradition zurück. Als Einteilungsmaßstab dient im Allgemeinen das einfach zu bestimmende kalendarische Alter. Zur Beschreibung der (sport-)motorischen Entwicklung eignen sich grobe altersmäßige Unterteilungen wie Säuglingsalter, Kleinkindalter, Schulkindalter, Pubeszenz, Adoleszenz, Erwachsenenalter, Seniorenalter und Greisenalter. Eine weitere Untergliederung der einzelnen Entwicklungszeiträume gilt als mehr oder weniger willkürlich.
Eine in der Bewegungswissenschaft des Sports weit verbreitete chronologische Phaseneinteilung geht auf W INTER zurück (1998; vgl. Tab. 14 ). Die Bezeichnung der verschiedenen Altersstufen orientiert sich an den jeweils dominierenden physiologischen Entwicklungsprozessen. Abgesehen von den ersten Lebensjahren, in denen die motorische Entwicklung auf Grund der auffälligen, schnellen Verhaltensveränderungen in Monatsabständen betrachtet wird, umfassen die nachfolgenden Lebensabschnitte jeweils mehrere Jahrgänge. Das auf Durchschnittswerten basierende Klassifizierungssystem von W INTER vernachlässigt, vergleichbar mit anderen chronologischen Unterteilungen, die leicht zu erkennenden interindividuellen und intraindividuellen Entwicklungsunterschiede. Die benannten Altersspannen stellen lediglich erste Orientierungshilfen dar. „Dasselbe“ Lebensalter zu haben, bedeutet nicht zwangsläufig, dass sich bei jedem Individuum dieselben Merkmale ausprägen.
Dem vermeintlichen Vorteil des einfach zu bestimmenden kalendarischen Alters als alleiniger Bezugsgröße für die Erklärung ontogenetischer Veränderungen halten moderne Verhaltensforscher entgegen, dass das Lebensalter keine psychologische Variable, sondern eine physikalische Trägervariable darstellt, die keine eigenständige erklärende Funktion für Veränderungsverläufe besitzt. Das chronologische Alter liefert lediglich einen allgemeinen Informationsrahmen im Sinne einer numerischen Skala, welche die Zeitdauer nach der Geburt kennzeichnet, in der psychologische und biologische Entwicklungsdeterminantenwirken. Geschlechts- und Kohortenzugehörigkeit, schulischer und beruflicher Ausbildungsstand, bewegungsbiografische, sozialkulturelle, sozialökonomische und gesundheitliche Faktoren und deren Interaktionen korrelieren mit zahlreichen Entwicklungsaspekten stärker als das kalendarische Alter. Altersbedingte, populations- und zeitabhängige Entwicklungskurven stellen lediglich grobe Richtwerte dar, von denen individuelle Verlaufskurven mehr oder weniger abweichen können.
Tab. 14: Lebensabschnitte der motorischen Entwicklung (mod. nach W INTER , 1998, S. 240; w: weiblich; m: männlich)
Phasenbezeichnung
Charakterisierung
Altersspanne
Neugeborenenalter
Ungerichtete Massenbewegungen
1. bis 3. Lebensmonat
Säuglingsalter
Aneignung erster koordinierter Bewegungen
4. bis 11. Lebensmonat
Kleinkindalter
Aneignung vielfältiger Bewegungsformen
1. bis. 3. Lebensjahr
Vorschulkindalter
Vervollkommnung vielfältiger Bewegungsformen, Aneignung erster Bewegungskombinationen
3./4. bis 6./7. Lebensjahr
Frühes Schulkindalter
Schnelle Fortschritte in der motorischen Lernfähigkeit
7. bis 9./10. Lebensjahr
Spätes Schulkindalter
Beste motorische Lernfähigkeit
w: 10./11. bis 11./12. Lebensjahr
m: 10./11. bis 12./13. Lebensjahr
Frühes Jugendalter (Pubeszenz)
Umstrukturierung motorischer Fähigkeiten und Fertigkeiten
w: 11./12. bis 13./14. Lebensjahr
m: 12./13. bis 14./15. Lebensjahr
Spätes Jugendalter (Adoleszenz)
Ausgeprägte geschlechts-spezifische Differenzierung und Individualisierung
w: 13./14. bis 17./18. Lebensjahr
m: 14./15. bis 18./19. Lebensjahr
Frühes Erwachsenenalter
Relative
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