Bewegungswissenschaft
liegt, sondern in einzelnen Hilfsfunktionsphasen wie der Ausgangsstellung, der Hüftdrehung, der Gewichtsverlagerung oder des Ellbogeneinsatzes (W INTERBOER , 2005).
Programmierte methodische Übungsreihe
Die in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelte und lange Zeit bewährte programmierte methodische Übungsreihe mit linearem kleinschrittigen Aufbau (programmierte Instruktion) gerät in der aktuellen Theoriediskussion und Sportpraxis zunehmend in Vergessenheit. Dies liegt einerseits daran, dass kaum eine andere motorische Lerntheorie derart heftig und kontrovers diskutiert wurde wie das Modell der Sensomotorik von U NGERER (1977). Andererseits greifen aktuelle bewegungswissenschaftliche Lehrbücher die Methode der „programmierten Instruktion“ nahezu nicht mehr auf.
Das lernpsychologische Fundament der „programmierten Instruktion“ bilden die theoretischen Grundannahmen des operanten Konditionierens von S KINNER (1953; vgl.Lektion 5, Kap. 3) und die Theorie des sensomotorischen Lernens von U NGERER (1977; D AUGS , 1972, 1979). Ausgangspunkt ist die koordinationstheoretische Vorstellung, dass sporttypische Fertigkeiten aus Sequenzen motorischer Elementarzeichen bestehen. Die empirisch zu belegenden, kleinsten Bewegungssegmente, die sensomotorischen Sequenzen („Lernstoffatome“) gewinnen U NGERER und D AUGS durch die Zergliederung der Gesamtbewegung.
Eine sensomotorische Sequenz begrenzt zwei Entscheidungsstellen oder Richtungsentscheidungen. Die Einzelsequenzen können simultan (gleichzeitig) oder sukzessiv (nacheinander) verknüpft werden. Eine herausgehobene Bedeutung kommt den Schlüsselsequenzen zu, die andere Sequenzen auslösen. Unabdingbare Voraussetzung für den Aufbau einer Sequenzkette ist es, dass der Lernende über ein Grundrepertoire an sensomotorischen Sequenzen verfügt. Abbildung 50 zeigt die drei sensomotorischen Sequenzen S 1 -S 3 der Schwungbeinbewegung bei der Hitch-Kick-Technik im Weitsprung.
Für den motorischen Lehr- und Lernprozess bedeutsam ist die zwischen dem Sequenz- und dem Sprachalphabet angenommene Isomorphie (gleiche Struktur). Hierbei werden die Sequenzen S 1 bis S 3 der Hitch-Kick-Technik im Weitsprung mit den drei Informationen I 1 bis I 3 verbunden.
I 1 :
Spring ab und kicke während des Absprungs das Schwungbein.
I 2 :
Spring ab, kicke während des Absprungs das Schwungbein und führe es rückwärts.
I 3 :
Spring ab, kicke während des Absprungs das Schwungbein, führe es rückwärts und dann zur Landung.
Die Instruktionen und die Rückmeldungen über die Bewegungsrealisierung erfolgen mittels standardisierter Basaltexte und visueller Sollwertpräsentationen (Lehrbildreihen, Lehrkarten, Wandtafeln, Videosequenzen, Computer usw.). Basaltexte stellen knapp formulierte Verbalisierungen der wichtigsten Schlüsselsequenzen dar. Diese sollten die Schüler in weniger als 40 s durcharbeiten können ( vgl. Abb. 51 ). Bei der Hitch-Kick-Technik im Weitsprung reicht die Beschreibung der drei oben benannten Schwungbeinsequenzen S 1 bis S 3 aus, um den Verlauf der Zielfertigkeit hinreichend zu kennzeichnen.
Der Basaltext der ersten Programmkarte des Lehrprogramms zur Hitch-Kick-Technik im Weitsprung beginnt mit der sprachlichen Verbindung der vom Lernenden beherrschten Absprungaktion und der Kickbewegung: „Spring ab und kicke während des Absprungs das Schwungbein.“ Durch die Verknüpfung der beiden bekannten Bewegungsteilemittels des Bindewortes „und“ entsteht eine neuartige, zuvor nicht beherrschte Sequenzkopplung. Der Basaltext ist nur dann verständlich, wenn die Lernenden die Begriffe „Kicken“ und „Schwungbein“ inhaltlich verstehen. Nach jedem Versuch erhält der Übende durch den Lehrer oder gute Mitschüler direkte Rückmeldungen, inwieweit das Lernresultat der Vorgabe der Programmkarte entspricht. In Abhängigkeit vom Erfolg oder Misserfolg der Bewegungsausführung wendet sich der Schüler der weiterführenden Lernkarte oder einer zusätzlich zu bearbeitenden Korrekturkarte zu. Der Anfänger nimmt die Informationen der Korrekturkarte auf, übt den fehlerhaft realisierten Bewegungsabschnitt und wird erneut korrigiert. Die weiteren Programmschritte fügen so lange neue Bewegungssequenzen an die erworbenen Sequenzverbindungen an, bis der Schüler die Zielfertigkeit vollständig realisiert.
Abb. 50: Schematische Darstellung der Bewegungsbahn des Schwungbeinknöchels bei der Hitch-Kick-Technik im Weitsprung (mod. nach U NGERER , 1977, S. 130)
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