Bewegungswissenschaft
Interventionszielen (kind- und jugendgerechte Entwicklungsumwelten, Erziehungsstile usw.) oder die Planung und die Evaluation von Interventionsmaßnahmen (z. B. Lern-, Hilfeangebote; T RAUTNER , 1992; O ERTER & M ONTADA , 2002).
Die Entwicklungspsychologie unterscheidet vier Arten von Veränderungsreihen. Die Phylogenese befasst sich mit der Stammesentwicklung der Lebewesen, also mit der gesamten biologischen Evolution. Die Anthropogenese (Menschheitsentwicklung) kennzeichnet den Ausschnitt der Phylogenese, der von der Entstehung des Homo sapiens bis zum heutigen Entwicklungsstand des Menschen reicht. Die Ontogenese (Individualgenese) umfasst den Zeitraum der Entwicklung des Individuums von der Zeugung bis zum Lebensende. Die Aktualgenese (Mikrogenese), als kürzester Entwicklungszeitraum des Individuums, beschreibt die kurzfristigen Wahrnehmungsvorgänge und die möglichen Verhaltensfolgen (z. B. Problemlöseverhalten).
Dem Begriff Entwicklung ordnen die Entwicklungspsychologie und die sportwissenschaftliche Bewegungsforschung sehr verschiedenartige Sachverhalte zu, die nur bestimmte inhaltliche Aspekte der Ontogenese berücksichtigen und andere wesentliche Bereiche ausschließen. Die Bandbreite der mehr oder weniger voneinander abweichenden Begriffsbestimmungen reicht von weiten, inhaltsarmen Definitionen „als Reihe von miteinander zusammenhängenden Veränderungen, die bestimmten Orten des zeitlichen Kontinuums eines individuellen Lebenslaufs zuzuordnen sind“ (T HOMAE , 1959, S. 10) bis hin zu inhaltlich stärker ausfüllenden Definitionen „als lebenslangbezogene, langfristige und geordnete, unterschiedliche Veränderungen unterschiedlicher Persönlichkeiten in unterschiedlichen, sich verändernden Umwelten“ (U LICH , 1986, S. 10).
S CHEID und R IEDER (2001, S. 82) beschreiben die menschliche Entwicklung „als ein in ständiger Wechselwirkung sich vollziehendes Ineinander von Wachstum, Reifung, Lernen und Sozialisation. Es handelt sich hierbei um grundlegende Merkmale des Entwicklungsgeschehens, die in zahlreichen ontogenetischen Veränderungen (körperliche, motorische, emotionale, kognitive oder soziale Entwicklung) auftreten“.
Die motorische Entwicklung umfasst die Ausbildung und die Differenzierung der motorischen Basisfähigkeiten, der elementaren motorischen Fertigkeiten (Gehen, Laufen, Springen, Werfen usw.), der Alltagsmotorik, der Arbeitsmotorik und der sporttypischen Bewegungstechniken (Korbleger, Rückenschwimmen, Schwungkippe, Speerwurf usw.). Sie „bezieht sich auf die lebensaltersbezogenen Veränderungen der Steuerungs- und Funktionsprozesse, die Haltung und Bewegung zugrunde liegen“ (S INGER & B ÖS , 1994, S. 19). Nach traditionellen Vorstellungen verläuft die motorische Entwicklung unidirektional (auf einen Reifungszustand), irreversibel, stufenförmig und universell (ohne interindividuelle Unterschiede; S CHMIDT , 1970). Bis Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts vertraute die Mehrzahl der Entwicklungsforscher bei der Beschreibung und der Erklärung motorischer Verhaltensveränderungen als alleiniger Bezugsgröße dem kalendarischen Alter.
Gegenwärtig dominiert in der Entwicklungspsychologie eine weite Definition des bewegungsgebundenen Entwicklungsbegriffs. Hiernach stellt die motorische Ontogenese einen komplexen dynamischen Veränderungsprozess dar, auf den sowohl endogene als auch exogene Bedingungsfaktoren einwirken. Das zentrale Entwicklungsziel betrifft die fortschreitende Stabilisierung der personalen Dimensionen und Dispositionen. Damit ist nicht gemeint, dass im Verlauf der motorischen Entwicklung definierte Verfestigungen eintreten; vielmehr bestehen lebenslange potenzielle Verhaltensveränderungen.
Als einen guten Einstieg in das Thema „sportmotorische Entwicklung“ eignen sich die Schriften von W ILLIMCZIK (1983), B AUR , B ÖS und S INGER (1994) oder W INTER (1998). In übersichtlicher Weise bündeln die Autoren aus sportwissenschaftlicher Sicht den Forschungsstand zur Entwicklung des menschlichen Körperbaus, der inneren Organsysteme, der motorischen Basisfähigkeiten, der Alltagsmotorik, der Arbeitsmotorik und der sportmotorischen Fertigkeiten in der Lebensspanne. Eine kritische Bewertung erfahren die gängigen Theorien zur allgemeinen und motorischen Entwicklung und die untersuchungsmethodischen Vorgehensweisen der Erfassung der motorischen Ontogenese.
Mit der sportmotorischen Entwicklung beschäftigen sich naturgemäß die Sportpsychologie und
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