Bewegungswissenschaft
beobachtbaren interindividuellen Unterschiede und intraindividuellen Variabilitäten in der Entwicklung dar. Offenkundig resultieren Entwicklungsverläufe aus dem vielfältigenWechselspiel zahlreicher Bedingungsfaktoren. Der Grad der Direktheit und der Indirektheit der Auswirkungen einzelner Einflussfaktoren auf die Ontogenese kann sehr unterschiedlich sein.
Dieses auffällige Entwicklungsphänomen beschreibt schon das altchinesische Sprichwort Derselbe Wind lässt verschiedene Drachen steigen . Weit gehend bekannt ist,
dass Individuen gleichen Alters über sehr unterschiedlich ausgeprägte motorische Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügen,
dass dieselben genetischen Voraussetzungen keinen Garanten für eine identische Leistungsentwicklung darstellen,
dass unter gleichen Sozialisationsbedingungen interindividuelle Differenzen im motorischen Entwicklungsverlauf zu beobachten sind und
dass dieselben Trainingsinterventionen zu interindividuellen Motorikdifferenzen führen.
1 Was ist von dieser Lektion zu erwarten?
Lektion 8 geht grundlegenden Fragestellungen der motorischen Entwicklungsforschung nach: Inwieweit kann das kalendarische Alter die motorische Entwicklung des Individuums verlässlich klassifizieren? Wie verläuft die körperliche Entwicklung in der Lebensspanne? In welcher Art und Weise bilden sich die motorischen Basisfähigkeiten, die elementaren motorischen und sportmotorischen Fertigkeiten im Lebenslauf aus?
Kapitel 2 widmet sich neben der Darstellung der zentralen Gegenstandsbereiche und Aufgaben der sportwissenschaftlichen Entwicklungsforschung der Erklärung, was die Verhaltensforschung unter der Phylogenese, der Anthropogenese, der Ontogenese, der Aktualgenese, der motorischen Entwicklung, den endogenen und exogenen Einflussfaktoren und Aufgabenfaktoren der motorischen Ontogenese, den sensiblen Entwicklungsphasen, der Retardation und der Akzeleration versteht. Anschließend werden die Vor- und Nachteile der Längsschnittmethode, der Querschnittmethode und der gemischten Längsschnittmethode bei der Untersuchung motorischer Entwicklungsphänomene gegenübergestellt.
Aufgabe eines Lehrbuchs der Bewegungswissenschaft des Sports ist es, die Vielfalt der empirischen Befunde zur sportmotorischen Entwicklung in der Lebensspanne unter einigen wenigen leitenden Gesichtspunkten darzustellen. Kapitel 3 beginnt mit der Kurzcharakterisierung des „typischen“ Verlaufs der motorischen Ontogenese. Hierauf folgt die kritische Betrachtung des im Sport weit verbreiteten Klassifizierungssystemsder „Lebensphasen in der motorischen Entwicklung“ von W INTER (1998; Kap. 3.1). Angemerkt wird, dass die interindividuellen Differenzen und die intraindividuellen Variabilitäten in der Ontogenese die Abgrenzung genereller Lebensabschnitte erheblich erschweren. Einen großen Einfluss auf die sportmotorische Entwicklung des Subjekts nimmt die Ausbildung des Zentralnervensystems, der anthropometrischen Körperbaumerkmale (Kap. 3.2), der motorischen Basisfähigkeiten, der Alltagsmotorik, der Arbeitsmotorik und der sporttypischen Bewegungsfertigkeiten (Kap. 3.3). Was an empirischen Befunden über die motorische Ontogenese vorliegt, sind querschnittliche Entwicklungsverläufe für das Säuglingsalter bis zum Vorschulkindalter (3.3.1), das Schulkindalter (3.3.2), das Jugendalter (3.3.3) und das Erwachsenenalter (3.3.4). Die Lektion 8 schließt mit der Zusammenschau des Wissensstandes zur somatischen und sportmotorischen Entwicklung in der Lebensspanne (Kap. 4).
2 Welche Begriffe sind grundlegend?
Im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses der Entwicklungspsychologie als Teildisziplin der Psychologie steht die Analyse, Beschreibung und Erklärung der Ausformung der Persönlichkeit des Subjekts im Lebenslauf, die Ermittlung potenzieller Entwicklungsfaktoren (kalendarisches Alter, Genetik, materiale, historische und soziale Umweltbedingungen usw.), die Prognose und die Beeinflussung der Ausprägung des kognitiven und motorischen Verhaltens des Individuums (Schulerfolg, Bewältigung kritischer Lebensereignisse, motorische Fähigkeiten und sportmotorische Fertigkeiten usw.). Als weitere Interessensschwerpunkte gelten die Erforschung der interindividuellen Differenzen und der intraindividuellen Variabilitäten kognitiver und motorischer Verhaltensweisen, die Formulierung praktischer Orientierungen über den Lebenslauf (Volljährigkeit, Strafmündigkeit, Geschäfts-, Heiratsfähigkeit usw.), die Begründung von Entwicklungs- und
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