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Beweislast

Beweislast

Titel: Beweislast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Wut und Zorn, weil dieser Bürokrat auf selbstgefällige Weise gesagt hat, dass ich für jeden Job zu alt sei. Ja, damit war klar, dass ich nie mehr einen Job kriegen würde. Und in sechs Wochen Hartz IV-Empfänger sein würde. Wissen Sie, was das bedeutet?« Er erwartete keine Antwort. Denn die Juristen würden nie in eine solche Situation geraten. Die Juristen nicht und kein Beamter. Sie saßen sicher und fest inmitten staatlich garantierter Wohltaten. Was hatten die denn für eine Ahnung, was es bedeutete, alles zu verlieren? Was wussten die schon davon, wie man sich fühlte, wenn man keine soziale Sicherheit mehr hatte? Was wussten die davon, die darüber zu befinden und zu richten hatten?
    Muckenhans ging auf die Problematik nicht ein. »Sie haben ihn also angespuckt«, wiederholte er sachlich, »und wie hat Herr Grauer reagiert?«
    »Zunächst gar nicht. Er war überrascht und sprachlos, ja – sprachlos. Eine Reaktion hab ich nicht abgewartet. Ich bin raus und weg. Das war der nicht gewohnt, dass ihm mal jemand zu verstehen gegeben hat, was er von ihm hält.«
    Manuel deutete erneut Zurückhaltung an.
    »Sie waren also wütend über ihn.«
    »Ja, klar – das hab ich nie bestritten. Aber deswegen bringt man doch niemanden um.«
    »Das nicht«, erwiderte der Vorsitzende, »aber gehen wir der Reihe nach vor.« Er blätterte um. »Sie sind also gegangen – und dann?«
    »Nichts und dann«, es klang schnippisch, »ich bin nach Hause gefahren und das ist alles.«
    Muckenhans ließ ein paar Sekunden verstreichen. Drunten auf der Olgastraße hielt eine Straßenbahn. »Es soll an diesem Tag aber noch eine Begegnung mit Herrn Grauer gegeben haben.«
    »Nein, hat es nicht.«
    Der Richter räusperte sich. »Wir werden noch darauf zu sprechen kommen. Denn Sie wissen es selbst aus den Akten, was Ihnen vorgeworfen wird.«
    Ketschmar holte tief Luft. Er würde da nie wieder herauskommen. Nie mehr. Den Staatsanwalt schien dies überhaupt nicht zu interessieren. Er war in einen Zeitungsartikel vertieft. Vermutlich hatte er sein Plädoyer bereits geschrieben: der Angeklagte ein Lügner, uneinsichtig. Da musste ihn die ganze Härte des Gesetzes treffen. Lebenslänglich. Und sollte das Gericht zu einer anderen Auffassung gelangen, würde die Staatsanwaltschaft alle Instanzen beschreiten, um ihm das Leben so lange wie möglich zur Hölle zu machen.

51
     
    Simon Eckert blickte durch das Fenster im dritten Stock der Wohnanlage einem Flugzeug nach. Durch die schallgedämmten Scheiben war nur ein tiefes Brummen zu hören. Die Triebwerke moderner Airliner hatten den Anwohnern von Flughäfen angenehmere Zeiten beschert. Eckert wartete ab, bis der Silbervogel im Tiefblau des Himmels zu einem winzigen Objekt geschrumpft war. Dann drehte er sich wieder um und sah in die Augen seiner irritierten Lebensgefährtin. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte er sich von ihrem Outfit ablenken lassen, von den schwarzen Shorts, die die weiße Haut ihrer Beine besonders kontrastreich erscheinen ließen, oder von dem engen Top, das ihre weiblichen Formen betonte. Die junge Polin war groß und schlank und genoss es, den 15 Jahre älteren Mann bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit auf ihre Weise aus dem Konzept zu bringen. Seit einigen Wochen aber schien etwas zwischen ihnen beiden zu stehen, das ihr immer mehr Kopfzerbrechen bereitete. Mehrfach schon hatte sie Simon darauf angesprochen, doch er war immer ausgewichen. Mehr und mehr dachte sie, seine schlechte Stimmung könnte mit dieser Gerichtsverhandlung zu tun haben, zu der er als Zeuge geladen war. Nächste Woche, am zweiten oder dritten Prozesstag, würde er aussagen müssen.
    »Was hast du denn?«, unternahm sie jetzt einen neuerlichen Versuch, seine Probleme zu ergründen, und kam hüfteschwingend auf ihn zu, um ihn zu umarmen. Er ließ sie gewähren. »Marie«, sagte er und legte seine Arme um ihre Taille, »ich glaube, wir sollten etwas bereden.« Er spürte, wie der Druck, mit dem sie sich an ihn gepresst hatte, nachließ.
    »Meinst du diesen … Mord?« Sie war selbst überrascht, wie direkt sie das Thema ansprechen konnte.
    Eckert nickte und ließ seine Arme sinken. »Ich wollte dich damit nicht belasten – und hab es bisher auch nicht getan. Aber ich bin mir inzwischen nicht mehr so sicher, ob wir unter diesen Umständen weitermachen können.«
    »Wie meinst du das – unter diesen Umständen?« Marie ließ sich in einen Ledersessel fallen und schlug die Beine übereinander.
    »So

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