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Beweislast

Beweislast

Titel: Beweislast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Türrahmen zu fassen. Seine Handflächen strichen über das raue Holz der Tür, bis seine Finger gegen die Türklinke stießen. Noch einmal blieb er prüfend stehen, lauschte in die Nacht, doch da war nur das Hundegebell.
    Er umklammerte mit beiden Händen die dünne und wackelige Klinke, drückte sie vorsichtig nach unten und bemerkte, dass sie, wie erwartet, nicht stramm im Schloss verankert war, sondern zwei, drei Millimeter Spielraum hatte. Er hatte diese Tür erst vor einigen Monaten gesehen. Und außerdem wusste er, dass diese Hofstellen schon seit Jahrzehnten vor sich hingammelten.
    Er blieb einen Augenblick reglos stehen. Er hätte sich gewünscht, dass ihm ein Geräusch zu Hilfe käme. Doch hier in der Abgeschiedenheit dieses Tales konnte er weder auf den Lärm eines Lastwagens noch auf den einer Eisenbahn hoffen. Hier war es immer still – schon gar um diese Zeit.
    Also musste es schnell gehen. Kurz und heftig. Noch immer hielt er die Klinke gedrückt. Dann zählte er innerlich bis drei, um mental seine ganze Kraft auf dieses Schloss zu konzentrieren. Er stemmte sich mit den Beinen gegen die Tür und stieß so fest er konnte die linke Schulter gegen das Holz. Für den Bruchteil einer Sekunde wurde die Stille zerrissen. Morsches Holz zerbrach, ein Metallteil fiel zu Boden. Dann war alles wieder so als sei nichts gewesen. Der Mann stellte zufrieden fest, dass sich die Tür nach innen öffnen ließ. Er blieb stehen und versuchte die Finsternis zu durchdringen. Doch da war nichts. Auch die Hühner zeigten sich offenbar nicht erschreckt. Und nirgendwo flammte ein Licht auf. Vermutlich war das Geräusch auch gar nicht bis in den Wohntrakt des Gehöfts gehallt. Die Wohnungen befanden sich auf der gegenüberliegenden Seite,jenseits des Innenhofs, der von drei Seiten von Gebäuden umschlossen wurde. Der Mann griff in eine Tasche seines Arbeitsanzugs und fingerte eine dünne Stablampe heraus.
    Er atmete den modrigen Geruch, der ihm kühl und feucht entgegenschlug. Der schmale Lichtstrahl fiel auf eine ausgetretene Steintreppe, die steil und von einer gewölbeförmigen Decke überspannt nach unten führte.
    Noch einmal lauschte der Mann in die Nacht, war zufrieden, als weiterhin nur das Bellen des Hundes von Weitem herüberhallte, und stieg dann abwärts. Schritt für Schritt, Stufe für Stufe. Seine Hand zitterte, weshalb der dünne Lichtkegel zwischen den Steinstufen und den unverputzten Backsteinwänden hin- und hertanzte. Spinnweben strichen über sein Gesicht, was ein Zeichen dafür war, dass hier schon lange niemand mehr gegangen war. Kaum eine halbe Minute später hatte er den Gewölbekeller mit dem naturbelassenen Boden erreicht. Er blieb stehen und richtete den Lichtstrahl auf die gemauerten Wände, deren erdbraune Farbe den Strahl verschluckten. Der Mann war zufrieden, den Keller so vorzufinden, wie er ihn noch aus Jugendtagen in Erinnerung hatte – und das war lange her. Nur hatten damals hier unten Kartoffeln gelagert. Jetzt aber war der Keller leer. Der Geruch erinnerte ihn an Höhlen und Gruften.
    Der Mann durchquerte den fünf Meter breiten und schätzungsweise 15 Meter langen Raum, denn er wusste, dass sich an der gegenüberliegenden Stirnseite wieder eine Tür befand. Beim Näherkommen zeichnete sie sich vom Mauerwerk ab. Es war eine mit drei Brettern zusammengenagelte Tür, deren Schloss auf die Innenseite geschraubt war und aus dem vorletzten Jahrhundert zu stammen schien. Der Mann grinste in sich hinein, denn genau so hatte er es sich vorgestellt. Er griff nach der verrosteten Klinke, drückte sie kräftig nach unten, weil er starken metallischen Widerstand erwartete, doch die Tür ließ sich mühelos öffnen, wenngleich ihr verbogenes Holz im Rahmen einen leichten Widerstand entgegensetzte. Der nächtliche Besucher zog sie auf und leuchtete den angrenzenden Raum aus. Dieser war wesentlich kleiner und ohne Gewölbe. Auch hier gab es keine Gegenstände. Das gesamte Untergeschoss wurde offenbar seit Langem nicht mehr genutzt. Der schmale Strahl der Taschenlampe zitterte auf dem festgetretenen Lehmboden entlang, bis er nach vier, fünf Metern auf eine nach oben führende Treppe traf, deren Holzkonstruktion aus groben Balken zusammengenagelt war. Ein Geländer fehlte. Der Mann blieb abrupt stehen. War da ein Geräusch gewesen? Ein kurzes Rumpeln. Ein Geräusch, als sei im Erdgeschoss über ihm etwas über den Fußboden geschoben worden. Er löschte die Taschenlampe und wagte nur flach zu atmen. Er

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