Beweislast
rüber – aber er war nicht dort. Nur das Licht hat gebrannt.« Sie kämpfte mit den Tränen.
»Und der Hund? Hat der Hund in der Zeit, als Ihr Mann angeblich da draußen war, auch gebellt?«
Sie nickte. »Das tut der immer. Tag und Nacht kann der bellen. Wir haben uns dran gewöhnt.«
Speckinger schaltete sich ein. »Es ist also nichts Ungewöhnliches, wenn er – sagen wir mal – so um Mitternacht bellt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein – das ist normal.«
»Ist Ihr Mann denn öfter noch so spät zum Arbeiten in die Scheune rüber?«, wollte Häberle wissen.
»Ja, das passiert oft. Immer, wenn er nicht schlafen kann. Dann werkelt er manchmal bis um drei, vier herum.« Sie überlegte kurz. »Und gestern war er nervös, wissen Sie. Er hätt doch heut als Zeuge nach Ulm fahren sollen.«
Der Prozess. Klar, dachte Häberle, heute ging dort die Zeugenvernehmung weiter. Er wollte nicht darauf eingehen, sondern versuchte sich vorzustellen, wie der alte Kauz nächtens in dieser Scheune gewerkelt haben musste und zwischen Spinnweben und Schummerlicht an irgendwelchen Oldtimergeräten herumschraubte, während draußen womöglich der Hund den Mond anbellte.
»Dürfen wir uns drüben mal umsehen?«, fragte Häberle.
»Ja, natürlich«, erwiderte die Bäuerin und stand, von Rückenschmerzen offenbar geplagt, auf. Die beiden Männer taten es ihr nach. »Noch eine Frage«, sagte der Kommissar dabei, »es tut mir leid, wenn ich Sie danach fragen muss. Aber der Ulrich …« Er stockte, als sich Frau Blücher im Hinausgehen zu ihm umdrehte und ihn verständnislos ansah. »Der Ulrich«, fuhr er dann fort, »war ein Neffe von Ihrem Mann?«
»Was hat das damit zu tun?«
»Nur so … der Ulrich ist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen?«
»Wer weiß, was da passiert ist!« Es hörte sich nach einem Vorwurf gegen die ermittelnden Polizisten an. »Unfall haben sie gesagt, die Polizisten – aber ich glaub das nicht. Ich nicht und Eugen auch nicht.«
»Und was sagen Ulrichs Eltern? Ich mein, Ulrichs Vater müsste ein Bruder Ihres Mannes sein, wenn ich das richtig seh …?«
Sie nickte. »Vater und Mutter sind scho lang tot. Ulrich hat niemand gehabt – nur manchmal eine Freundin.« Dann schlurfte die Bäuerin an ihnen vorbei.
»Hier«, sie öffnete eine Holztür und knipste eine Glühbirne an, die nur an Drähten von einem roh belassenen Balken hing. Soweit die Kriminalisten in dem Dämmerschein erkennen konnten, befanden sie sich in einem Abstellraum für landwirtschaftliche Maschinen, die wohl allesamt jedem technischen Bauernmuseum zur Ehre gereicht hätten. Häberles Blick fiel auf einen Traktor, wie er ihn noch aus seinen Jugendjahren her kannte, dazwischen eine Tischkreissäge, ein Anhänger und etwas, das aussah, als sei es einmal ein Heuwender gewesen. Entlang der linken Wand erstreckte sich eine meterlange, uralte Werkbank, auf der kreuz und quer Werkzeuge, Tuben, Dosen und Ersatzteile lagen. Ein geordnetes System war nicht auszumachen. An der Wand dahinter hingen größere Gerätschaften, deren Zweck sich den Kriminalisten nicht erschloss.
Häberle blickte sich oberflächlich um. »Wir schicken mal die Kollegen der Spurensicherung vorbei«, entschied er, worauf sein Kollege sofort zum Handy griff. »Und welche Transmission hat Ihr Mann reparieren wollen?«, fragte Häberle nach.
Die Bäuerin deutete auf die Tischkreissäge. »Da.« Der Kriminalist, im Umgang mit technischen Geräten durchaus versiert, konnte sich vorstellen, dass die Säge über ein Transmissionsband mithilfe des Traktors angetrieben wurde. Er nickte und trat aus der dunklen Scheune wieder ins Tageslicht hinaus.
»Entschuldigen Sie, wenn ich das frage …« Häberle drehte sich zu der Frau um, die die Tür zuzog. »Wer hat eigentlich den Hausstand Ihres Neffen aufgelöst?«
Sie stutzte: »Ich weißjetzt nicht, was diese Fragerei soll«, brach es plötzlich aus ihr heraus, »wenn Sie den Mörder suchen, müssen Sie rüber gehen – rüber zu denen.« Sie deutete mit einer Kopfbewegung in Richtung Steinberghof. Häberle wollte nicht darauf eingehen, denn jetzt drohte auch bei der Frau der alte ›Bauernkrieg‹ wieder hochzukochen.
»Wenn es wirklich kein Unfall war«, versuchte er sie zu beruhigen, »dann brauchen wir Anhaltspunkte. Und deswegen wäre es von Interesse, was aus den Sachen Ihres Neffen geworden ist.«
»Da hats noch eine Tante mütterlicherseits gegeben. Aus der Lüneburger Heide – die hat ausgeräumt und den Rest
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