Beweislast
mitgenommen.« Frau Blücher ließ Häberle stehen und ging energischen, aber hinkenden Schritts zu ihrem Wohnhaus hinüber.
»Und wie heißt die … diese Tante?«, kam ihr der Kriminalist hinterher, während Speckinger bereits vorausgegangen war und noch immer mit der Spurensicherung telefonierte.
»Da müssen Sie meinen Mann fragen.«
Häberle verzichtete auf eine weitere Diskussion, zumal dies angesichts des Hundegebells auch ziemlich beschwerlich gewesen wäre. Dennoch wollte er noch eine Frage stellen: »Haben Sie oder Ihr Mann denn gewusst, was der Ulrich von Beruf war – ich mein, was er gearbeitet hat?«
Die Bäuerin blieb mitten im Hof stehen und drehte sich um. »Wieso interessiert Sie das eigentlich? Was hat des mit Eugen zu tun?«
»Ich hab doch gesagt, dass uns auch der Unfall interessiert …«
»Der Ulrich hat in Ulm gearbeitet …« Sie sprach nicht weiter, sondern setzte ihren Weg fort.
Häberle riskierte einen Frontalangriff: »Er hat sich um Schwarzarbeit gekümmert – stimmt das?«
»Schwarzarbeit, Herr Kommissar, Schwarzarbeit gibts überall. Sie sollten sich bloß mal richtig umsehen, aber richtig. Und mehr sag ich dazu nicht. Es hat schon genug Tote gegeben.«
56
Der zweite Verhandlungstag sollte Klarheit in die Verhältnisse im Tal des Rehgebirges bringen. Ketschmar hatte beim Betreten des Schwurgerichtssaals den Blick krampfhaft gesenkt gehalten. In den Augenwinkeln nahm er wahr, dass erneut viele Zuhörer gekommen waren. Jetzt, neben Manuel sitzend, hatte er seinen Stuhl wie gestern schräg in Richtung Richterbank gedreht.
Der Vorsitzende bat die Anwesenden, die sich beim Erscheinen des Gerichts erhoben hatten, wieder Platz zu nehmen. »Die Sitzung der Schwurgerichtskammer wird fortgesetzt«, stellte er sachlich fest und blickte zufrieden in die Runde. Keiner der Prozessbeteiligten fehlte.
»Wir haben heute ein kurzes Zeugenprogramm«, erklärte Muckenhans und blätterte in seinen Unterlagen. »Für 8.30 Uhr sind geladen … Andreas Hornung und einige weitere Herrschaften des Arbeitsamtes sowie der Herr Eugen Blücher.« Er wandte sich an einen der beiden Wachtmeister, die in der ersten Reihe neben der schweren hölzernen Eingangstür saßen. »Rufen Sie doch bitte die Herrschaften herein.«
Der Angesprochene erhob sich, drückte die Tür auf und rief »Alle Zeugen hereinkommen« in den hallenden Gang hinaus. Sogleich erschienen drei Männer und eine Frau, die wie die meisten Zeugen einen eingeschüchterten Eindruck machten.
Muckenhans, der seine schmale Lesebrille aufgesetzt hatte, blätterte wieder in seinen Papieren. »Da sein müssten … Herr Andreas Hornung.« Ein junger Mann schien sein Selbstbewusstsein bereits wiedergefunden zu haben und antwortete laut und deutlich: »Ja, das bin ich.«
Der Vorsitzende las den Namen zweier weiterer Männer und einer Frau vor, alle drei Sachbearbeiter in der Agentur für Arbeit. Sie bestätigen weitaus weniger selbstbewusst, dass sie die Vorgeladenen seien. Muckenhans blickte verwundert zu den vier Personen und dann zu dem Wachtmeister. »Es müsste auch noch ein Herr Eugen Blücher erschienen sein.«
»Es ist niemand mehr draußen«, stellte der Uniformierte fest.
Der Vorsitzende sah auf die Uhr, die oberhalb des Eingangs angebracht war: 8.47 Uhr. Nichts ärgerte ihn mehr als unpünktliche Zeugen. Sie konnten seinen ganzen Zeitplan durcheinander bringen. Doch er ließ es sich nicht anmerken.
»Ich habe die Zeugen zu belehren, dass sie vor Gericht die Wahrheit sagen müssen«, begann er mit der üblichen Formalität und sah den vier Personen nacheinander fest in die Augen. »Das ist kein Misstrauen, sondern das muss ich allen Zeugen sagen. Falsche oder unwahre Angaben werden streng bestraft. Unter Eid mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Wenn Sie etwas nicht mehr genau wissen, dann sagen Sie das. Sie dürfen aber auf gar keinen Fall etwas erfinden oder hinzudichten.« Muckenhans entschied sich dann, zunächst die Dame zu vernehmen. »Die anderen drei Zeugen muss ich bitten, noch einmal draußen zu warten.« Die Männer verließen den Saal.
Ketschmar hatte den Formalismus nicht verfolgt, sondern sich in die Aufzeichnungen in seinem Schnellhefter vertieft. Manuel stupste ihn und flüsterte ihm zu: »Der alte Blücher kneift.« Ketschmar zuckte mit den Schultern.
Der Staatsanwalt war bereits wieder mit irgendeiner Lektüre beschäftigt. Die Schöffin machte sich Notizen – worüber auch immer.
In der hintersten
Weitere Kostenlose Bücher