Beweislast
Dienststellen tätig werden?«
Hornung zuckte mit den Schultern. »Kann sein, natürlich.«
»Auch für die ›Finanzkontrolle‹?«
»Das mag sein – aber im vorliegenden Fall …«
Manuel unterbrach ihn: »Sie schließen also nicht aus, dass Herr Grauer für die ›Finanzkontrolle‹ tätig gewesen sein könnte – beispielsweise, um heimlich Baustellen zu überwachen?«
»Ich kanns nicht ausschließen, aber ob Herr Grauer es getan hat, weiß ich nicht.«
Völlig unerwartet mischte sich der bärtige Staatsanwalt mit kräftiger Stimme ein: »Vielleicht kann uns der Herr Verteidiger einmal erklären, was dies mit unserem Fall zu tun hat.«
Muckenhans warf dem Ankläger einen scharfen Blick zu. Zwischenrufe schätzte er überhaupt nicht. »Das Fragerecht hat der Herr Verteidiger«, stellte er deshalb fest.
»Danke«, sagte Manuel, während sein Schwiegervater die Szenerie äußerlich unbeeindruckt verfolgte, »wir nehmen also zur Kenntnis, dass es durchaus sein kann, dass Herr Grauer in seiner Freizeit eine Art Agententätigkeit ausgeführt hat.« Und ans Gericht gewandt, erklärte er: »Ich verweise auf die Lichtbildmappe Seite fünfzehn bis einundzwanzig.«
Beisitzer Elmar Friesenmeiler drehte sich zu einem Schränkchen um, auf dem ein halbes Dutzend Aktenordner standen. Er griff sich einen davon und suchte die genannten Seiten.
Muckenhans stellte formal fest: »Es wird die Lichtbildmappe Seite fünfzehn bis einundzwanzig in Augenschein genommen.«
»Darin sind Fotos zu sehen, die Grauer in den Wochen und Monaten vor seinem Tod aufgenommen hat«, erklärte Manuel, »es sind alles Baustellen aus der näheren und weiteren Umgebung. Die Staatsanwaltschaft meint zwar, Herr Grauers Hobby sei es gewesen, den Baufortschritt von Bauprojekten zu fotografieren. Es kann aber auch ganz anders gewesen sein.« Er sprach den Zeugen an: »Ist Ihnen davon etwas bekannt?«
»Nein, nie davon gehört.«
Friesenmeiler hatte inzwischen die Lichtbildmappe auf dem Richtertisch ausgebreitet, worauf Muckenhans die Prozessbeteiligten aufforderte, nach vorne zu kommen, um die Fotos anzusehen.
Manuel flüsterte Ketschmar zu, ihm zum Richtertisch zu folgen, während sich auf der anderen Seite der Staatsanwalt sichtlich gelangweilt erhob, um langsam ebenfalls vor die beiden Robenträger zu treten. Die Schöffin und der Schöffe, die beide auf den äußeren Plätzen saßen, traten hinter die Berufsrichter. Hornung blieb sitzen. Der Psychiater, der dem Verhandlungsverlauf bisher schweigend gefolgt war, erhob sich ebenfalls.
Dies war einer jener Momente, der für die Zuhörer im Saal gähnende Langeweile bedeutete. Sie konnten nur an den Bemerkungen und Schilderungen der Prozessbeteiligten erahnen, was auf den Bildern zu sehen sein könnte.
»Hier«, sagte Friesenmeiler, »eine Baustelle bei Kirchheim, die hier aus der Nähe von Schwäbisch Gmünd – und hier Langenau …«
»Man beachte«, warf Manuel ein, »dieses Foto. Es ist die extreme Vergrößerung der Vorderfront eines offensichtlich ausländischen Fahrzeugs. Leider ist die Auflösung viel zu schlecht, um das Kennzeichen ablesen zu können. Aber es ist kein deutsches.«
»Und was wollen Sie uns damit sagen?«, herrschte ihn Staatsanwalt Franz Bändele an.
»Dass Herr Grauer ausländische Schwarzarbeiter im Visier gehabt hat«, legte Manuel jetzt die Karten auf den Tisch.
»Ich bitt Sie, Herr Verteidiger – das ist doch kalter Kaffee. Das ist doch alles abgeklärt«, winkte Bändele ab.
»Nichts ist abgeklärt. Es heißt in den Akten nur, dass sich keine Erkenntnisse gefunden hätten. Aber obwohl wir mehrfach mit Schriftsätzen darauf hingewiesen haben, dass in diese Richtung weiterermittelt werden soll, hat es die Staatsanwaltschaft für nicht notwendig erachtet.«
Bändele wies diesen Vorwurf energisch zurück: »Weil Sie den Fall auf einen Nebenkriegsschauplatz abdrängen wollen.« Er lief demonstrativ zu seinem Platz zurück und wurde laut. »Erklären Sie uns doch endlich mal plausibel, wie der Speichel Ihres Mandanten an den Pullover des Opfers gelangt ist!«
»Genau das ist der Punkt«, entgegnete Manuel unwirsch, »Sie sehen nur die DNA – und alles andere hat Sie nicht mehr interessiert. Die Staatsanwaltschaft hat sich in ihrer wissenschaftlichen Euphorie an die Speichelprobe geklammert und mit ihrem Tunnelblick keine andere Möglichkeit mehr in Betracht gezogen.«
Bändele wurde noch lauter: »Ich finde das geht zu weit, Herr Verteidiger.«
Muckenhans
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