Beweislast
zwar davon abgesehen, den Brandanschlag in einen Zusammenhang mit dem Tod des Herrn Grauer zu bringen. Denn auch die ermittelnden Polizeibeamten sind davon ausgegangen, dass der Mord nichts damit zu tun hat. Wenn aber jetzt versucht wird, den Angeklagten ins feinste Licht zu rücken, dann muss auch dieser Aspekt zur Bewertung seiner Glaubwürdigkeit herangezogen werden. Vieles spricht dafür, dass er es war, der den Herrn Eckert beseitigen wollte – und zwar aus Panik, dieser könnte am Tatort etwas gesehen haben.«
Jetzt reichte es Muckenhans: »Ich bitte um Verständnis, Herr Staatsanwalt, aber solche Feststellungen sind den Plädoyers vorbehalten. Gibt es noch Fragen an den Zeugen?«
Hornung hatte den Schlagabtausch um sich herum mit Interesse verfolgt.
Es gab keine Fragen mehr an ihn.
»Dann bleibt der Zeuge nach Paragraf 59 Strafprozessordnung unvereidigt und wird hiermit mit Dank entlassen.« Während Hornung aufstand, um den Saal zu verlassen, wandte sich der Vorsitzende an den Wachtmeister: »Schauen Sie doch bitte nach, ob der Herr Eugen Blücher draußen steht.«
Der Uniformierte tat, wie ihm befohlen, musste jedoch feststellen, dass der erwartete Zeuge noch immer nicht aufgetaucht war. Muckenhans blickte zur Uhr. »Dann müsste da sein …« Er blätterte in seinen Unterlagen. »Ein Herr Rüdiger Schmorbach.«
Ketschmar zuckte zusammen und beugte sich flüsternd zu Manuel: »Wie kommt denn der hierher?«
Muckenhans hatte die Irritation auf der Verteidigerbank bemerkt und erklärte, während ein braungebranntes Milchbubengesicht hereinkam: »Herr Schmorbach hat sich bei uns gemeldet, nachdem in den Zeitungen der Prozess angekündigt worden war. Er hat uns etwas zu berichten, was zum Persönlichkeitsbild des Angeklagten beitragen könnte – und was vielleicht auch den Herrn Sachverständigen interessiert.«
Manuel ließ sich von Ketschmar kurz zuflüstern, wer dieser Mann war: »Bei dem war ich, bevor ich zu Grauer gegangen bin. Auch so ein Kotzbrocken von einer Baufirma.« Manuel legte seine rechte Hand auf Ketschmars linken Arm, um ihn zu beruhigen.
Nachdem die üblichen Personalien des jungen Managers festgehalten waren, kam Muckenhans sofort zur Sache. »Sie haben uns wissen lassen, dass Sie möglicherweise etwas zu berichten haben.«
»Nun ja«, begann der Zeuge, dessen Nadelstreifenanzug allerfeinster Zwirn zu sein schien, »mir ist das eingefallen, nachdem ich gelesen habe, dass der Prozess gegen Herrn Ketschmar bevorsteht. Er war nämlich am Vormittag dieses Tages, an dem es geschehen ist, noch bei mir.«
»Und was war der Grund seines Besuchs?«, fragte Muckenhans nach, »ich nehme an, er hat sich bei Ihnen bewerben wollen.«
»So ist es, ja. Aber ich musste ihm leider mitteilen, dass wir für Ingenieure seines Alters keine Verwendung haben.«
Ketschmar nickte heftig und hätte am liebsten dazwischengeschrien, was er von solchen Arrogantlingen hielt. Allein schon die Formulierung ›keine Verwendung‹ war eine bodenlose Frechheit.
»Und wie hat Herr Ketschmar darauf reagiert?« wollte der Vorsitzende wissen.
»Sehr ungehalten. Um nicht zu sagen, er ist ausfällig geworden. Solche Reaktionen sind wir in unserem Hause nicht gewohnt.« Es klang überheblich. Schmorbach würdigte den Angeklagten keines Blickes.
»Wie haben wir uns das vorzustellen – ungehalten und ausfällig?«
»Er ist aufgesprungen und hat mir zugerufen – sinngemäß erinnere ich mich -, dass ich aufpassen solle, denn es werde mir eines Tages Hören und Sehen vergehen.«
Zum ersten Mal machte sich der Staatsanwalt während dieses Prozesses Notizen.
»Hören und Sehen vergehen«, wiederholte Muckenhans. »Was haben Sie sich darunter vorgestellt?«
Schmorbach verschränkte die Arme. »Dass er mich umbringen will. Das war doch eine klare Morddrohung, finden Sie nicht?«
60
Die Sonne hatte sich durchgesetzt, als die Kriminalisten in den Steinberghof hinüberfuhren, wohin der alte Schorsch bereits wieder gegangen war. »Der Arbeitsanzug ist aufgeschnitten«, erklärte Linkohr, der auf dem Rücksitz saß, »das lässt befürchten, dass man ihn dem Blücher gewaltsam ausgezogen hat.«
»Der Leiche ausgezogen«, resümierte Speckinger auf dem Beifahrersitz, während sie sich der Hofstelle näherten. »Das heißt, wir können davon ausgehen, dass die Leiche hier irgendwo im Gelände rumliegt.«
Häberle nickte: »Wenn, dann finden sie die Jungs von der Bepo ganz sicher.«
»Aber wieso wirft jemand den
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