Beweislast
Arbeitsanzug ausgerechnet da oben ins Gebüsch?«, überlegte Linkohr. »Wieso lässt der Täter die Leiche nicht angezogen?«
Speckinger grinste. »Ein Sexualdelikt dürfte wohl kaum vorliegen.«
Im Innenhof, der wie bei nahezu allen Gehöften Uförmig von Wohnhaus, Scheune und Stallungen begrenzt wurde, war die komplette Familie Knoll versammelt und wurde von Kriminalisten vernommen. Während die jüngeren Personen eher betreten und schockiert zu sein schienen, gebärdete sich Schorsch so wild wie der unablässig kläffende Kettenhund.
Häberle, Linkohr und Speckinger stiegen aus ihrem Wagen, begrüßten die Kollegen und ließen sich die bisherigen Vernehmungsergebnisse erläutern. Demnach hatte in der vergangenen Nacht keiner aus der Familie Knoll etwas Verdächtiges bemerkt. Zwar habe der Hund einige Male kräftig gebellt, doch komme dies öfter vor – gerade jetzt im erwachenden Frühling, wenn jede Menge Tiere unterwegs seien.
Schorsch fuhr dazwischen: »Wenn Sie jetzt anfanget, unsere Familie in was reinzuziehe, kann des für Sie sehr unangenehm werde, Herr Kriminalrat.«
Häberle unterdrückte ein Grinsen. »Wir tun hier nichts anderes als in den anderen Hofstellen«, erklärte er ruhig. »Wenn wir uns hier bei Ihnen umsehen, richtet sich das nicht automatisch gegen Sie. Jeder kann sich hier in der Nacht herumtreiben.«
Speckinger brachte es auf den Punkt: »Mich würde interessieren, ob es irgendwo eine Möglichkeit gibt, unbemerkt in die Gebäude einzudringen.« Schon beim flüchtigen Umsehen waren Speckinger am Scheunen- und Stallungstrakt mehrere desolat erscheinende Holztüren aufgefallen. Aus Erfahrung wusste er, dass man es in dieser bäuerlichen Abgeschiedenheit mit der Gebäudesicherung nicht so genau nahm.
»Wir schauen uns mal um«, entschied Häberle und warf Schorsch einen aufmunternden Blick zu, »und Sie könnten uns dabei helfen.« Der Alte überlegte und schien sich dann angesichts der polizeilichen Übermacht zur kooperativen Mitarbeit durchgerungen zu haben. »Kommet Sie mit.« Er ging, während der Hund unablässig bellte, am Wohngebäude entlang, an dem es keine weiteren Türen gab. Am Scheunen-Querbau befand sich ein großes Holztor, das jedoch, wie die drei Kriminalisten sofort erkannten, ein relativ stabiles Schloss aufwies. »War das vergangene Nacht geschlossen?«, fragte Häberle. Schorsch war sich absolut sicher: »Ja, selbstverständlich, was denket Sie?« Beim Weitergehen machten sie einen Bogen um den Aktionsradius, den der angekettete Hund beherrschte. »Faro, still, Platz – sitz«, herrschte ihn der Alte an, doch Faro schien dies wenig zu beeindrucken. Sie erreichten um ihn herum die weiteren landwirtschaftlichen Gebäude, die parallel zum Wohnhaus standen. Hier entdeckten die Kriminalisten drei Holztüren, von denen eine so weit überm Boden endete, dass locker eine Katze hindurchschlüpfen konnte. »Wie sieht es damit aus?«, fragte Speckinger und griff nach der Türklinke. Die Tür ließ sich öffnen.
»Wird abends abgschlosse«, gab sich der Alte einsilbig.
»Ganz sicher?«, wollte Häberle wissen.
Schorsch stapfte über den lehmigen Untergrund weiter.
»Wer hat sie gestern abgeschlossen?«, blieb Häberle hartnäckig.
»Sie war zu«, kam es trotzig zurück. Schorsch deutete auf die zweite Tür, die einen weitaus stabileren Eindruck machte. »Auch die war zu.«
Speckinger drückte die Klinke nieder und spürte Widerstand. Versperrt.
Ein paar Schritte weiter folgte wieder ein großes Tor, das sogar ein Sicherheitsschloss aus jüngster Zeit aufwies, wie Speckinger sofort sachverständig feststellte.
»Und hinten?«, deutete Häberle mit einer Kopfbewegung zur Stirnseite des Komplexes.
»Da isch et viel«, sagte Schorsch und wollte zu den restlichen Familienmitgliedern zurückgehen, die von anderen Kriminalisten vernommen wurden.
»Et viel isch au was«, gab Häberle auf Schwäbisch zurück. Er entsann sich, dass er im November schon mal hinter der Hofanlage gewesen war – wegen der Baumstämme, gegen die Ketschmar mit dem Auto gestoßen sein wollte. Damals hatten sie auch den neu gebauten Kuhmilchstall gesehen.
Häberle ging am westlichen Giebel der Stallungen entlang, um die Rückseite zu erreichen, wo sich der sanfte Wiesenhang erhob. Seine beiden Kollegen und Schorsch folgten.
»Also doch«, stellte der Chefermittler fest und deutete zu einem großen Holztor. »Auch das war vergangene Nacht zu, oder?«
»Was soll denn das? Denket sie, ich lass Haus
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