Beweislast
Häberle und dessen Kollege ziemlich eigenmächtig im Computer herumgestöbert und festgestellt, dass um 17.16 Uhr die letzte Datei bearbeitet worden sei. »Dann muss ich um diese Zeit gegangen sein.«
»Es kann nicht sein, dass Sie anschließend noch eine andere Tätigkeit verrichtet haben?« Muckenhans war für seine präzisen und sachlichen Fragen bekannt.
»Nein. Ich hab mich damals, als mich der Kommissar gefragt hat, noch genau an den Freitagabend erinnert. Ich hab noch Arbeitszeiten eingegeben und bin dann gegangen.«
»Ohne den Rechner abzuschalten«, stellte der Vorsitzende beim Blick auf die aufgeschlagene Aktenseite fest.
»Ja, das ist richtig. Genau, wie es die Kriminalpolizei festgestellt hat.«
»Und wie Sie den Bürocontainer verlassen haben, ist Ihnen nichts aufgefallen? Es war alles wie sonst auch?« Niemand im Saal wagte auch nur zu hüsteln.
»Mir ist nichts aufgefallen, nein. Sie müssen natürlich bedenken, dass es im November um diese Zeit schon dunkel war. Ich hab das Licht gelöscht und bin raus zum Auto.«
»Aber als Sie weggefahren sind, konnten Sie im Scheinwerferlicht Ihres Fahrzeugs die Umgebung sehen?«
»Natürlich – aber mir ist nichts aufgefallen.«
Muckenhans stellte noch einige Verständnisfragen, um dann genauso ruhig und gelassen jenen Punkt anzusprechen, der ihn und die anderen vier Richter nach der morgendlichen Vorbesprechung am meisten interessierte.
»Es hat dann ein paar Tage später …« – Muckenhans blickte auf seine Unterlagen, – »genauer gesagt, in der Nacht zum Donnerstag, 24. November, ein Ereignis stattgefunden, das Anlass zu polizeilichen Ermittlungen gegeben hat.«
»Einen Brandanschlag hat es gegeben. An die Rückwand des Containers, so hat es die Polizei festgestellt, war Benzin geleert und angezündet worden. Durch die enorme Hitzeentwicklung ist einiges verschmort und geschmolzen.«
»Die Polizei hat nie herausfinden können, wer der Täter war. Haben Sie persönlich einen Verdacht?«
Eckert schüttelte langsam den Kopf, wobei er vorsichtig nach links sah und sich sein Blick mit jenem Ketschmars traf. »Nein, keine Ahnung. Allerdings kommt es an so abgelegenen Baustellen durchaus hin und wieder vor, dass nächtliche Vandalen etwas zerstören. Arbeitslose Jugendliche, die aus Langeweile nicht wissen, was sie tun sollen. Dummköpfe eben. Aber die Regierung …« Muckenhans stoppte seinen Redefluss: »Sie sagen also, dass am Mittwochabend, als Sie den Container verlassen haben und nach Hause gefahren sind, noch alles in Ordnung war.«
»Ja, so ist es«, erwiderte der Bauingenieur, ohne zu zögern.
»Und als Sie am Donnerstagmorgen gekommen sind, haben Sie die Bescherung gesehen?«
»Ja, ganz genau so ist es.«
Muckenhans sah zum Staatsanwalt hinüber, der angespannt dem weiteren Gang der Dinge harrte. Der Vorsitzende überlegte und entschied sich für eine zurückhaltende Formulierung: »Kann es auch so gewesen sein, dass Sie zum Zeitpunkt, als der Brandanschlag vorbereitet wurde, noch in Ihrem Container waren?«
Eckert zeigte zum ersten Mal eine gewisse Unsicherheit. Er umklammerte die kleine viereckige Tischplatte an den Seitenkanten und verzog die Mundwinkel zu einem verkrampften Lächeln. »Wie bitte? Ich soll drin gewesen sein? Wer behauptet das denn?« Er schaute zu Ketschmar hinüber, der jedoch regungslos neben seinem Verteidiger saß.
»Sie seien«, machte Muckenhans weiter, »im Container gewesen, als der Brandstifter gegen das Blech geklopft und Sie aufgefordert habe, aus dem Fenster zu sehen. Sie hätten es aber wohl mit der Angst zu tun gekriegt und sich geweigert.«
Eckert hatte Mühe, dem Blick des Vorsitzenden standzuhalten. »Das ist doch, mit Verlaub gesagt, absoluter Unsinn. Wer behauptet so was?«
»Der jenige, der den Brand gelegt haben will«, erklärte Muckenhans weiterhin ganz ruhig, »Herr Ketschmar hat gestanden, Ihren Container angezündet zu haben. Aus Wut darüber, dass Sie ihn nicht eingestellt haben.«
Jetzt schüttelte Eckert heftig den Kopf, unterbrach den Richter aber nicht. »Er habe mit Ihnen reden wollen …«
»Mit mir … der da?« Eckert deutete auf Ketschmar. »Worüber denn?«
»Über etwas, das in diesem Verfahren immer wieder am Rande eine Rolle spielt – über Schwarzarbeit.« Der Vorsitzende wartete auf eine Reaktion und blickte in die Runde. Friesenmeiler schrieb eifrig mit. Die Beisitzerin fixierte den Angeklagten regungslos. Staatsanwalt und Verteidiger schienen in Lauerstellung
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