Beweislast
eigenbrötlerisch und eigensinnig, als starrsinnig und jähzornig, vor allem aber als uneinsichtig. Und jeder schien froh zu sein, niemals direkt etwas mit ihm zu tun gehabt zu haben. Die Trauer über sein Verschwinden hielt sich deshalb auch in Grenzen. Vielmehr war die Sorge zu vernehmen, dass in diesem idyllischen Tal möglicherweise ein zweites Verbrechen verübt worden sein könnte. Seit sich herumgesprochen hatte, dass Blüchers blauer Arbeitsanzug im Gebüsch gefunden wurde, bestand daran bei keinem der Bewohner mehr Zweifel.
Im Moorhof traf Linkohr auf einen jungen Landwirt, der Gebäude und Geräte auf dem neuesten Stand hielt. »Sie dürfen heutzutage den Anschluss nicht verlieren«, meinte er, nachdem ihn Linkohr auf den grundlegend sanierten Hof angesprochen hatte. »Viele hier draußen haben den Zug der Zeit verpasst. Heute zählen nur Größe und Automatisierung. Und Sie müssen sich spezialisieren. Alles andere ist zum Scheitern verurteilt.«
Linkohr nickte, als verstünde er etwas von der Landwirtschaft. Immerhin hatte er sich nie zuvor so intensiv damit befasst wie in den vergangenen Monaten. »Und worauf haben Sie sich spezialisiert?«
»Getreide«, antwortete der Landwirt, »unsere Felder sind zwar ein paar Kilometer weg von hier, aber es war die richtige Entscheidung.« Und er erklärte, was er meinte: »Kooperation mit einem heimischen Bierbrauer. Kontrollierter und integrierter Anbau, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Linkohr hatte davon gehört. Eine Kette vom Rohstofflieferanten bis zum Abfüller. »Dann haben Sie keine Viehhaltung mehr?«
»Nein, wenn man von ein paar Katzen absieht«, lächelte der junge Mann, »auch Viehhaltung geht nur im großen Stil. Die Ferkelzuchtanlage da drüben …« Er deutete in die entsprechende Richtung, »… die zählt dazu.«
»Oder der Kuhmilchstall beim Steinberghof«, ergänzte Linkohr wissend und erntete Kopfnicken. »Dann brauchen Sie sich auch nicht um Mist und Gülle zu kümmern?«
»Auch das nicht«, erklärte der Landwirt und winkte ab, »da kriegen Sie heut doch auch schon jede Menge Auflagen. Wasserwirtschaftsamt, Naturschutz – und wenn es mal ein bisschen stinkt, gibt es garantiert zwei Kilometer entfernt einen Nörgler, der gleich einen Riesenwirbel macht und bei den Behörden noch sein Recht kriegt.«
»Naja, es kann ja wirklich bestialisch stinken.«
»Für städtische Nasen schon. Außerdem stinkt es nur, wenn der Mist frisch ist und wenn …«, er überlegte, »wie man so schön sagt, wenn die Kacke am Dampfen ist. Oder wenn man das Zeug umschichtet.«
»War eigentlich das Thema Schwarzarbeit hier draußen mal ein … ja, sagen wir, ein Problem?«
»Schwarzarbeit? Bei meinen Kollegen oder wie meinen Sie das?« Er wischte sich mit dem Handrücken die Nase sauber.
»Bei Ihren Kollegen, ja, oder wenn etwas gebaut wurde.«
»Nein«, kam es zurück, »wissen Sie, da misch ich mich nicht ein. Jeder soll tun, was er für richtig hält. Sobald einer anfängt, sich in den Kram des andern einzumischen, gibts Ärger. Sie wissen selbst, was der alte Blücher und der Steinberg-Schorsch angerichtet haben.« Der Landwirt wandte sich wieder seiner Maschine zu, die Linkohr als großes Stromaggregat identifizierte. »Dazu sag ich nichts. Auch nicht zur Polizei.«
Eckert betrat selbstbewusst den Saal, hielt einen Aktenkoffer in der Hand und setzte sich an das Tischchen vor dem Vorsitzenden. Er nannte seine Personalien, bestätigte, dass er mit dem Angeklagten weder verwandt noch verschwägert und wegen Falschaussage oder Eidesverletzung nicht vorbestraft sei.
Muckenhans belehrte ihn, dass es für unwahre Angaben hohe Strafen gebe und sah den kräftig gebauten Mann, der mit Anzug und Krawatte erschienen war, über die Lesebrille hinweg lange an. »Sie wissen, worum es geht. Freitag, 18. November. Vor Ihrem Bürocontainer ist am frühen Abend jemand zu Tode gekommen. Was können Sie uns dazu sagen?«
Eckert stützte sich mit den Unterarmen auf dem Tisch ab und besah sich langsam die fünf Richter. »Dazu kann ich Ihnen gar nichts sagen«, stellte er fest, um sogleich mit fester Stimme hinzuzufügen: »Mich hats ohnehin gewundert, dass ich Zeuge sein soll.«
»Sie waren zumindest ganz nah dran – am Tatort«, entgegnete Muckenhans ruhig und wollte von Eckert wissen, wann er seinen Bürocontainer am Tatabend verlassen habe. Dies lasse sich, so sagte der Bauingenieur, ganz exakt ermitteln, schließlich habe doch dieser Kommissar
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