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Beweislast

Beweislast

Titel: Beweislast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Preis. Denn letztlich, da war er überzeugt, gings auch in diesem Fall nicht ums Kopftuch, sondern ums Prinzip. Um zu beweisen, dass man diesen Staat in die Knie zwingen konnte. Die hatten doch alle keine Ahnung, wie es in der freien Wirtschaft zuging. Natürlich konnte man das Arbeitsgericht anrufen, wenn einem etwas nicht passte. Aber den Job war man früher oder später trotzdem los. Nur in den öffentlichen Verwaltungen konnte man es sich erlauben bis aufs Äußerste zu pochen. Was wussten die denn von Arbeitslosigkeit?
    Ketschmar wurde mit einem Schlag aus diesen Gedanken gerissen. Als habe ihn etwas elektrisiert. Als sei er von einem Blitz getroffen worden. Er war für einen Augenblick wie gelähmt. Seine Augen hingen an einer Überschrift, die links unten seine Aufmerksamkeit erregte: Toter beim Steinberghof.
    Ihm war kalt. Er unterdrückte einen Schüttelfrost. »Auf der Zufahrt zum Steinberghof bei Reichenbach unterm Rechberg wurde gestern am frühen Abend ein 56-Jähriger Mann tot aufgefunden«, las er. »Ersten Ermittlungen zufolge ist unklar, ob es sich um einen Verkehrsunfall oder um ein Verbrechen handelt.«
    Ketschmar spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. Er zitterte.
    »Der Tote, der abseits der Zufahrtsstraße im Bereich einer Baustelle lag, war gegen 17.40 Uhr einem Autofahrer aufgefallen, der zum Steinberghof hatte hinauffahren wollen«, hieß es in dem Artikel weiter. Ketschmar las jeden Satz zweimal. 17.40 Uhr. Wann, verdammt nochmal, war er heimgekommen?
    »Spuren an der Kleidung und dem Körper des Mannes deuten nach Angaben der Polizei auf eine Gewalteinwirkung hin. Ob dies auf einen Unfall zurückzuführen ist, den ein Unbekannter verursacht hat, oder ob ein Verbrechen vorliegt, wird erst die für heute angeordnete Obduktion ergeben.«
    Gewaltverbrechen. Unfall. Unbekannter Täter. In Ketschmars Kopf schmerzte jeder Pulsschlag. Für einen Moment glaubte er, keine Luft mehr zu kriegen. Ein beklemmendes Gefühl in der Brust. Wie von Schraubzwingen.
    Vom Schlafzimmer ein Geräusch. Monika. Sie war wach geworden.
    Ketschmar erschrak. Sollte er die Zeitung weglegen? Egal, was er jetzt tat, Monika würde ihm anmerken, dass etwas nicht stimmte. Er entschied, sitzen zu bleiben und weiter zu lesen. »… auf eine Gewalteinwirkung hin«, las er noch einmal jene Zeile, die ihn schockiert hatte. Doch es sollte noch viel schlimmer kommen. In der übernächsten Zeile stach ihm der Name ins Gesicht. Der Name des Toten, den die Zeitung veröffentlicht hatte, weil die Polizei wissen wollte, wie der Mann an diesem dunklen Novemberabend in diese verlassene Gegend gekommen war. Ein Auto habe man nicht gefunden – und auch sonst keine Hinweise, wo er sich vor seinem Tod aufgehalten haben könnte. 56-Jährigen Friedbert Grauer aus Göppingen«, las Ketschmar und bemerkte nicht, dass seine Frau inzwischen hinter seinem Sessel stand. Viel zu sehr war er in den Text des Artikels vertieft. Friedbert Grauer, vergewisserte er sich noch einmal und sog den nächsten Satz gierig auf: »Er ist Berater bei der Göppinger Agentur für Arbeit und vermutlich vielen Arbeitssuchenden bekannt.« Er drehte sich erschrocken um. Seine Frau fuhr ihm über das dünne Haar. »Du schwitzt«, sagte sie, »gehts dir nicht gut?«
    »Ich? – Wieso?«, hörte er sich stammeln, »nein, das heißt doch – ich bin nur schockiert von dem, was ich da lese.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf den Artikel.
    Monika hatte ihn bereits heimlich mitgelesen. »Das war die Zeit, als du da oben warst«, stellte sie sachlich fest, worauf er sich wieder der Zeitung zuwandte. »Hast du den Namen gelesen?«, fragte er mit schwacher Stimme.
    »Grauer. Friedbert. Sagt mir nichts«, erwiderte sie. »Und dir?«
    »Ist mein Berater beim Arbeitsamt«, erklärte er, ohne jedoch die innere Erregung verbergen zu können. »Bin ihm gestern noch gegenübergesessen.«
    Monika schwieg. Sie kam um den Sessel herum und kniete sich vor ihm nieder. »Ach …«, staunte sie verlegen, »das tut mir leid.« Sie sah ihren Mann mit großen Augen an. Plötzlich fiel ihr etwas ein. Doch aussprechen konnte sie es nicht.

7
     
    »Mir gefällt die Sache gar nicht«, knurrte der altgediente Polizeihauptkommissar Edwin Scholz, als er den Bericht der Kollegen am Bildschirm studierte. »Wer fährt da draußen schon einen Fußgänger an? Um diese Jahreszeit.«
    Sein jüngerer Kollege, der ihm gegenübersaß, zuckte lustlos und verschlafen mit den Schultern, auf denen

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