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Beweislast

Beweislast

Titel: Beweislast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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das Arbeitsamt, zumal er ebenso wenig von neumodischen Wortschöpfungen hielt wie sein Chef Häberle.
    Hornung residierte in einem vergleichsweise bescheidenen Büro, dessen Einrichtung den funktionalen Stil einer Institution verkörperte, die sich einerseits keinen unnötigen Schnickschnack leistete, andererseits aber auf ein modernes Image Wert legte. Der Mann hinter der blitzblanken hellen Schreibtischplatte erhob sich und schüttelte dem Kriminalisten zur Begrüßung die Hand.
    »Ich hab schon raussuchen lassen, was Sie benötigen«, begann er, ohne überhaupt gefragt worden zu sein. Er bot einen Platz am Besuchertisch an, ließ sich wieder auf seinen Bürostuhl sinken und nahm aus einer Schublade einen Aktendeckel. Den Inhalt breitete er auf seiner Tischplatte aus. Es waren Computerausdrucke alphabetisch aufgelisteter Namen samt Adressen. »Wir haben Herrn Grauers Fälle der letzten drei Monate herausgelassen«, erklärte er. Speckinger zog seinen Stuhl an den Schreibtisch heran, um die Namen schnell überfliegen zu können. Was er unter dem Buchstaben ›K‹ suchte, stach ihm sofort in die Augen: Ketschmar, Gerhard.
    »Nur mal schnell«, sagte er und deutete mit dem linken Zeigefinger auf besagten Namen, »lässt sich feststellen, wann der zuletzt da war?«
    Hornung schob das Blatt zu sich rüber. »Ketschmar. Moment.«
    Er drückte am Telefon ein paar Tasten, meldete sich und bat jemanden, zu prüfen, wann Ketschmar zuletzt Kontakt zu seinem Berater gehabt hatte. Eine halbe Minute spä­ter, während derer Speckinger den Blick aus dem dritten Stock zu den umliegenden Häusern hinüber genossen hatte, bedankte sich Hornung und legte auf.
    »Ging schnell«, sagte er, »Ketschmar war am Freitagvormittag da. Hatte einen Termin um 10.30 Uhr.«
    »Vergangenen Freitag? Am gleichen Tag, als Grauer umgebracht wurde?«
    »Sieht so aus, ja«, bestätigte Hornung.
    Der Kriminalist griff nach der Liste und faltete sie zusammen. »Meinen Sie, es lässt sich einrichten, dass unsere Computerexperten auch mal einen Blick in Grauers Computer werfen dürfen?«, fragte er vorsichtig, wohl wissend, dass es gewiss tausend datenschutzrechtliche Gründe gab, die diesem Wunsch entgegenstanden.
    »Muss ich den Chef fragen«, kam Hornungs prompte Antwort.
    »Wir hätten auch gerne seinen Schreibtisch gesehen – und das, was er dort an persönlichen Dingen aufbewahrt hat. Aber das werden wir über den Richter machen.«
    Hornung schien über diese Bemerkung froh zu sein, brauchte dann doch er sich nicht mehr um eine Sache zu kümmern, die ohnehin in der Kompetenz des Chefs lag.
    »Wie läuft eigentlich so ein Kontaktgespräch ab? Gibt es außer dem Berater und dem Arbeitslosen noch jemand, der dabei ist?«
    Hornung schüttelte den Kopf. »Das sind individuelle Gespräche – um gemeinsam die aktuelle Situation zu erörtern.«
    »Mal angenommen, es geht dabei laut zu – es wird gestritten. Würde das jemand hören – nebenan oder auf dem Flur?« Speckinger steckte den Ausdruck in die Innentasche seines Jacketts.
    »Wenns sehr laut wird, kann man es natürlich hören.
    Aber die Türen sind extrem gedämmt.« Hornung deutete zu seiner hin. »Und außerdem …« Es war ihm offenbar peinlich, dies zuzugeben, »außerdem sind Wutausbrüche unserer Klientel leider Gottes keine Seltenheit.«
    »Und Gewalt?«
    »Es hat vereinzelt auch schon Übergriffe gegeben, ja. Aber das ist, gemessen an der Zahl der Arbeitssuchenden, die hier tagtäglich aus- und eingehen, glücklicherweise nicht relevant . Aber …« Hornung schien erst jetzt die Tragweite dieser Frage begriffen zu haben, »… Sie wollen doch nicht etwa sagen, dass dieser Ketschmar …?«
     
    Der Alte war mit seinem klapprigen und dröhnenden Traktor in den Hof reingefahren und hatte dicht vor der Eingangstür des Wohnhauses angehalten. Drüben am Querbau tobte der Hund und zerrte wie eine Bestie an seiner Leine, die ihm zwar viel Bewegungsfreiheit einräumte, ihn aber nicht bis zum Wohnhaus herankommen ließ. Eugen Blücher, den man den Eulengreuthof-Bauern nannte, ließ den Motor laufen und kletterte ungelenk vom Fahrersitz, den bei diesen Oldtimerbaureihen noch keine Kabine gegen Wind und Wetter schützte. Der Mann, dem die wenigen Haare in die zerfurchte Stirn hingen, stapfte mit seinen Gummistiefeln energisch auf die Haustür zu, die nur angelehnt war. Er riss sie auf und blieb im Flur stehen: »Wo ist dieser Drecksack?«, brüllte er, während die Dieselabgase seines Traktors ins

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