Beweislast
symbolischem Klopfen ein. Drinnen schlug ihnen behagliche Wärme entgegen. Von einer Schreibtischgruppe, auf der sich ein chaotischer Papier- und Aktenberg ausbreitete, blickte ihnen ein kräftiger Mann missmutig entgegen. »Sie schon wieder?«, stellte er fest.
»Es tut uns leid«, lächelte Häberle, »weil wir gerade auf dem Weg zu den Höfen da oben sind, wollten wir nur mal Ihr Fahrzeug sehen – reine Routine.«
Eckert erhob seinen stattlichen Körper und strich sich durchs dichte schwarze Haar. Seine buschigen Augenbrauen wirkten heute noch grimmiger als gestern. »Und was, bittschön, hat das zu bedeuten?«
»Wie ich sagte – ganz normale Sache«, erklärte der Kriminalist, der, was den Körperbau anbelangte, seinem Gegenüber ebenbürtig war. Er wich deshalb auch keinen Zentimeter zurück, als Eckert auf ihn zukam. »Wir schaun uns alle Autos an, die am Freitagabend hier in der Gegend gesehen wurden.«
»Wenns denn sein muss«, erwiderte der Bauleiter, ging an den beiden Kriminalisten vorbei und öffnete die Tür. »Mein Wagen steht um die Ecke.«
Häberle und Linkohr folgten ihm zu der geschotterten Abstellfläche zwischen Container und Dixi-Klo. Dort parkte ein gelber Polo älteren Baujahrs. »Mein Geschäftswagen«, erklärte Eckert. Er musste laut sprechen, um trotz des Motorengeräuschs, das sie umgab, verstanden zu werden. Linkohr wandte sich dem rechten vorderen Kotflügel zu und erkannte, dass der Wagen ziemlich ungepflegt erschien und mehrere Kratzer und Beulen aufwies.
»Und? Haben Sie gefunden, was Sie suchen?«
Linkohr war in die Hocke gegangen, um seinem Chef die vordere Fahrzeugkante zu zeigen. »Sieht nicht so aus, als ob da was gewesen wäre.« Er strich mit der flachen Hand über das verschmutzte Blech.
»Wir suchen nichts«, wandte sich Häberle dem verärgerten Bauleiter zu, »wir prüfen nur. Nichts zu finden, ist auch ein Ergebnis.«
Der Motor des Lastwagens heulte auf und blies eine neue kräftige Abgaswolke in den Nebel.
»Was mich noch am Rande interessieren würde«, sagte Häberle, während er dem Bauleiter zur Tür des Containers folgte, »kennen Sie eigentlich einen Herrn Ketschmar?«
»Ketschmar?« Eckert blieb abrupt stehen, sodass ihm der nachfolgende Linkohr beinahe gegen die Ferse getreten wäre. »Wer soll das sein?«
»Nun«, Häberle zuckte mit den Schultern, »vielleicht ist es auch einer von denen, die mal bei Ihnen nach einem Job gefragt haben. Gerhard Ketschmar – ein Bauingenieur.«
Eckert kniff die Augen zusammen. »Ketschmar. Hm. Kann durchaus sein, dass der mal hier war. Viele waren schon hier. Da kann ich mich an einzelne Personen nicht entsinnen.«
»Und wenn er da gewesen wäre – ein Bauingenieur, Mitte 50, hätten Sie keinen Job gehabt?« Häberle blieb hartnäckig.
»Mit Mitte 50?« Es klang, als ob eine solche Frage völlig abwegig wäre. Dabei gehörte Eckert vermutlich auch dieser Altersgruppe an. »Ich bitt Sie, Herr Häberle. Wer stellt einen Bauingenieur mit 55 ein? Viel zu teuer und dauernd krank.«
Eckert unterstrich diese Feststellung mit einer abwertenden Handbewegung, was den Chefermittler zu einer ironischen Bemerkung veranlasste: »Dann wünsche ich Ihnen und mir die ewige Jugend. Danke, Herr Eckert, ich denke wir sehen uns nochmal.« Häberle ließ seinen Gesprächspartner stehen und ging, gefolgt von Linkohr, zum Dienstwagen. Doch dann fiel ihm noch etwas ein. »Ach ja«, drehte er sich schnell um, sodass Eckert beim Betreten seines Bürocontainers erschrocken stehen blieb.
»Was haben Sie denn am Freitagabend abgesperrt?«, schrie der Kriminalist, um den jetzt aus der Baustelle herausfahrenden Lkw zu übertönen.
Eckert schien völlig irritiert zu sein, weshalb er wieder ins Freie trat und zwei Schritte auf die Kriminalisten zukam. »Wie – abgesperrt?«
»Mit einem rot-weißen Plastikband«, rief ihm Häberle zu, »mit diesen Bändern. Sie wissen doch, was ich meine.«
»Ach so«, Eckert schien kapiert zu haben, »hier, die Zufahrt zum Baugrundstück.« Er deutete auf die andere Seite des Asphaltwegs, wo gerade der Lkw aus einem provisorisch aufgeschütteten Weg herausrangierte.
Häberle lächelte. »Klar, natürlich«, rief er zurück. »Danke.«
Eckert blieb noch für eine Sekunde stehen, um dann schnell in seinem Bürocontainer zu verschwinden.
Andreas Hornung nannte sich Teamleiter. So stand es auf dem Namensschild an seiner Bürotür in der Agentur für Arbeit. Für Thomas Speckinger war dies weiterhin
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