Beweislast
strikt an die Fakten und konnte nur dann eine Überprüfung der Telefonverbindungsdaten genehmigen, wenn gegen eine Person ein hinreichender Tatverdacht vorlag.
»Warten wirs noch ab«, entschied Häberle deshalb, »sobald uns die Medizinmänner sagen, ob das DNA, das wir beim Grauer auf dem Pullover gefunden haben, verwertbar ist, können wir gezielt vorgehen.«
Linkohr nickte verständnisvoll, während Kollege Speckinger sich mit einem Räuspern bemerkbar machte. »Wir wissen inzwischen, dass Grauer keine direkten Angehörigen hatte und auch sonst offenbar kein sehr geselliger Typ war. Seine einzigen uns bekannten Kontakte, die er hatte, beschränken sich auf einen Kegelclub. Alle zwei Wochen dienstags.« Specki war an einen der Schreibtische gegangen und hatte sich gesetzt, um in seinem Notizblock zu blättern. »Wir haben zwei Mitkegler ausfindig gemacht. Keine besonders lustigen Menschen. Einer vom Arbeitsamt, der andere vom Finanzamt. Kann mir nicht vorstellen, dass die aus lauter Fröhlichkeit ausflippen.« Ein Grinsen ging durch die Reihen der Kollegen. »Dienstliches habe man so gut wie gar nicht geredet, sagen die beiden. Grauer sei ein eher verschlossener Typ gewesen, ein Eigenbrötler. Und sie hätten sich oft gefragt, was er in seiner Freizeit tue.«
»Gibts Hinweise dazu in seinem Schreibtisch?«, wollte Häberle wissen. »Oder im Computer?«
»Wir sind dran«, erwiderte Speckinger, »aber die Geodaten seines Handys kennen wir schon.« Damit ließ sich nachvollziehen, wo Grauers Handy in den vergangenen Wochen gewesen war. Auch ohne zu telefonieren, hinterließ ein eingeschaltetes Gerät in den einzelnen Funkzellen, in die es sich einloggte, elektronische Spuren. »Er hat in den vergangenen drei Monaten den hiesigen Bereich im Prinzip nicht verlassen. Zumindest nicht mit seinem Handy.« Speckinger überlegte. »Kann natürlich sein, dass er zu jenen Zeitgenossen gehört, die ihr Handy lieber daheim in der Schreibtischschublade liegen lassen. Immerhin hat er es ja am Freitagabend auch nicht dabei gehabt.«
»Und Telefonate?«
»Auch wenig ergiebig«, Speckinger nahm einen Computerausdruck zur Hand, »vom Festnetz aus hat er so gut wie gar nicht telefoniert – und wenn, dann nur mal mit seinem Zahnarzt und den Kegelfreunden. Einige Male auch mit seiner Dienststelle. Und vom Handy aus gibt es auch nur ganz wenige Gespräche. Ebenfalls zur Dienststelle und zwei-, dreimal nach Ulm – scheint aber auch rein dienstlich gewesen zu sein.« Der Kriminalist sah auf sein Papier: »Nennt sich Finanzkontrolle Schwarzarbeit – Hauptzollamt Ulm.«
»Und das Adressbuch im Handy und sonstige Speicher?« Häberle kannte sich mit dieser Technologie aus. Oft genug hatte er in den letzten Jahren auf diese Weise entscheidende Erkenntnisse gewonnen. Ein Handy konnte für einen Kriminalisten ein offenes Buch sein, aus dem erstaunliche Zusammenhänge herauszulesen waren.
»Ein paar entfernte Verwandte stehen im Adressbuch, seine Kegelfreunde …«, erwiderte Speckinger, »naja … und einige dienstliche Nummern. Nichts Auffälliges.«
Häberle stieß sich vom Türrahmen ab und verschränkte die Arme. »Du sagst, er sei in den vergangenen Monaten nicht fort gewesen …«
»Das Handy war nicht fort«, berichtigte Speckinger.
»Okay,ja – aber wir können doch nachvollziehen, durch welche Funkzellen er sich bewegt hat, wenn er das Handy dabei hatte. Gibt es da Auffälligkeiten? Ich meine: Hat er manche Orte häufiger aufgesucht?«
Der Kollege blätterte in einem ganzen Stapel von Computerausdrucken. »Das müssten wir detailliert auswerten. Dass er sich im Nahbereich mal hier- und mal dorthin begibt, ist sicher nichts Ungewöhnliches. Manchmal reichen ein paar hundert Meter und das Ding loggt sich schon in die nächste Funkzelle ein.«
»Logisch«, erwiderte Häberle, »aber vielleicht hatte er auch ein paar Lieblingsplätze. Könnte doch sein.«
Speckinger sah ihn durch die Reihe der Kollegen hindurch an. »Ich kann mir denken, worauf du hinauswillst.« Er grinste. »Baustellen verändern sich nur langsam.«
Sie hatten sich verstanden.
26
Manuel Traknow war an diesem dunklen Spätnachmittag zur Klinik am Eichert hinaufgefahren. Irgendwie beunruhigte ihn diese Sache doch. Vor allem, als seine Schwiegermutter davon berichtet hatte, was im Kofferraum des Golfs gefunden worden war – nämlich dieser Spanngurt. Den jungen Anwalt hatte diese Bemerkung wie ein Donnerschlag getroffen. In der Zeitung war doch die
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