Beweislast
gewesen wären. Auch wenns doch eher unwahrscheinlich gewesen war, wie er sich jetzt hinterher eingestehen musste. Aber vielleicht gelang es ja, die nötige Genehmigung zu kriegen. Andererseits hätten sie auch ›Gefahr im Verzuge‹ geltend machen und den Computer gleich mitnehmen können. Dies aber, so rang Häberle noch immer mit sich, hätte gleich einen Riesenwirbel verursacht – was diese selbstbewusste Chrissi und ihr angetrauter Advokat gewiss zum Anlass genommen hätten, sofort einen Streit vom Zaun zu brechen. Klar, wenn die Mannschaft anrückte und einen Hausdurchsuchungsbefehl vorlegte, würde dies nicht anders sein. Aber dann hatten sie wenigstens richterliche Rückendeckung. Häberle ertappte sich wieder mal dabei, wie auch er immer vorsichtiger wurde. Unglaublich schnell konnte man sich selbst in juristischen Fallstricken verheddern. Dann zögerte die Staatsanwaltschaft keine Sekunde, gegen ihre eigenen ›Hilfsbeamte‹, wie die Polizisten bezeichnet wurden, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Mit der Folge, dass die Beamten ›an der Front‹ immer unsicherer wurden und sich schon wie ›zahnlose Tiger‹ vorkamen. Daran musste Häberle denken, als sie wieder am Bürocontainer vorbeikamen, wo der Kran fast aufgebaut war. Eckert blickte dem Audi verwundert nach.
»Trauen Sie dem alten Eugen zu, dass er in den Fall verwickelt ist?«, fragte Linkohr erst jetzt zurück.
Der Chefermittler überlegte einen Augenblick. »Die Abgründe menschlicher Seelen sind rätselhaft. Und wenn ich mir überleg, dass die beiden Hitzköpfe ein Leben lang miteinander streiten, dann kann ich mir durchaus vorstellen, was sich da aufgestaut hat. Ein winziger Funke genügt, um das Pulverfass zur Explosion zu bringen.«
Linkohr bog jetzt links zum Eulengreuthof ab. Der Nebel war dichter geworden, der Regen stärker. »Waren Sie auch schon hier oben?«, wandte sich Häberle an den Kollegen im Fond.
»Klar doch. Als ich noch im Streifendienst war …« Er lächelte. »Muss Anfang der 90er Jahre gewesen sein. Da ist dem Eugen eine Kuh verendet – und er hat felsenfest behauptet, das sei ein Anschlag vom Steinbergbauern gewesen. War natürlich Quatsch.«
Aus dem Nebel hob sich der Giebel des Eulengreuthofs ab. Linkohr fuhr vorsichtig in den Hof, wo sofort der wild gewordene Cyras zu kläffen anfing, an seiner Leine zerrte und akrobatische Luftsprünge vollführte, als wolle er sich erhängen.
Kaum waren sie in die Nässe hinausgestiegen, übertönte auch schon eine Männerstimme das Hundegebell: »Was wollen Sie?« Eugen Blücher stand unter der Tür des Wohnhauses. Die drei Kriminalisten gingen rasch auf ihn zu. Häberle versuchte, ihn zu besänftigen, was ihm erwartungsgemäß nicht gelang. »Dürfen wir einen Moment ins Trockene?«, fragte er vorsichtig. Blücher, dem die wenigen Haare nach allen Seiten vom rot gewordenen Kopf hingen, machte keine Anstalten, sie in den Flur zu lassen. »Was es zu bereden gibt, kann man auch hier bereden«, gab er hartnäckig und unmissverständlich zu verstehen. Er ließ die Kriminalisten buchstäblich im Regen stehen. Der Hund tobte unablässig.
»Dann machen wirs kurz«, entschied Häberle und wurde eine Spur energischer. »Sie waren am Freitagnachmittag unterwegs …« Weiter kam er allerdings nicht, denn Eugen Blücher ließ ihm keine Chance: »Was glauben Sie eigentlich?«, wetterte er, »was halten Sie eigentlich von mir? Haben Sie nichts anderes zu tun, als mir nachzuspionieren?« Cyras unterstützte die Empörung seines Herrchens mit noch blutrünstigerem Gebell und zähnefletschendem Knurren. Kai Stange warf einen kritischen Blick auf den Hund und stellte fest, dass die Leine aus einer Metallkette bestand. Sie würde wohl noch eine Zeit lang halten.
Häberle hob beschwichtigend die Arme. »Wir suchen Zeugen – nichts weiter. Sie sind am Freitagnachmittag da unten an der Baustelle vorbeigefahren …«
»Ja und? Seit wann ist das verboten? Gehen Sie doch zu dem Verbrecher auf den Steinberghof rüber. Aber nehmen Sie gleich den Gefangenentransporter mit.« Blücher gestikulierte mit den Armen und kreuzte die Handgelenke zum Zeichen dafür, dass der Schorsch »von da drüben gefesselt und abgeführt« werden müsse, wie er schrie.
Häberle blieb ruhig. »Sie dürfen uns glauben, wir werden denjenigen fesseln und abführen, der dieses Verbrechen dort unten begangen hat.« Weil Blücher für einen Moment still war und nur Cyras dieses Hofidyll störte, fügte Häberle hinzu:
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