Beweislast
kriegt eh lebenslänglich.«
»Aber klar doch«, meinte der Obere, »wenn du bei denen drüben antanzen musst«, er meinte das Landgericht, das sich auf der anderen Straßenseite befand, »hauen sie dich in die Pfanne. Mann, häng nicht rum, sondern versuch dich, damit abzufinden.« Es klang wie ein Trost. Doch der Tonfall verriet Schadenfreude. »Vier Tage hast du schon runtergerissen«, höhnte der Räuber, »dann wirst du auch die restlichen rumkriegen. Nach 15 Jahren lassen sie dich sowieso wieder raus. Wie alt bist du dann?«
Ketschmar wollte nicht daran denken. Sonst würde er verrückt werden. Oder war er es schon? Wenn nicht, dann würde es nur eine Frage der Zeit sein, bis sie ihn in die Klapsmühle stecken konnten. Einen Psychiater hatten sie bereits beauftragt.
41
Georg Knoll, der alte Steinbergbauer, umgab sich mit dem aromatischen Duft seines Pfeifentabaks. »Damit kehrt wieder Ruhe ein«, stellte er fest, während er die Zeitung zusammenfaltete und dabei darauf achtete, dass er sein Mostglas nicht umwarf. An diesem frühen Novemberabend hatte sich die ganze Familie zusammengefunden – Sohn Uwe, dessen Frau Helga sowie deren beiden Jungs Marc und Oliver, die Kaugummi kauend wenig Interesse an dem Treffen zeigten. Es kam nicht oft vor, dass sie sich in Opas guter Bauernstube versammelten. Doch weil sich der Hudelmaier-Jakob vom Erlenhof angekündigt hatte, um nach allem, was in den vergangenen Tagen in der Zeitung gestanden war, die Situation im Tal zu besprechen, wollten alle dabei sein und das Neueste austauschen. Deshalb hatte der alte Steinberg-Schorsch zunächst nochmal die wichtigsten Passagen aus der Zeitung vorgelesen. Jetzt stopfte er zufrieden seine Pfeife, während Hudelmaier einen kräftigen Schluck Most nahm.
»Wie der Mann heißt, den sie festgenommen haben, steht zwar nicht in der Zeitung«, durchbrach Uwe Knoll die plötzlich eingetretene Stille, »aber wir wissen natürlich, dass es Ketschmar ist. Eigentlich ein guter Kunde von uns.« Knolls Ehefrau Helga fügte hinzu: »Ein sympathischer Mensch.«
Hudelmaier, der wie immer schlecht rasiert war und seinen blauen Arbeitsanzug trug, kratzte sich im Haar. »Man sieht halt an die Leute nur hin, aber nicht rein. So sagt man doch, glaub ich.«
Der alte Knoll zog an seiner Pfeife, worauf dicke Rauchschwaden aufstiegen. Seine Enkel Oliver und Marc fächerten sich mit der Zeitung frische Luft zu. Die alte Pendeluhr an der Wand schlug sieben Mal.
»Mir gehts drum«, begann Hudelmaier, »dass der Frieden wieder hergestellt ist. Ich hab den Eindruck gehabt, dass unser Freund Eugen«, er deutete in Richtung des Eulengreuthofs, »dass der überall versucht hat, Unruhe zu stiften.«
Helga Knoll, die nervös am Ärmel ihrer Schürze zupfte, staunte: »Ich hab gedacht, ihr zwei hättet keine Probleme miteinander.«
Hudelmaier lehnte sich zurück, worauf der unbequeme Stuhl zu knarren begann, und seufzte: »Gott sei Dank, ja. Wir haben keine Probleme. Aber ich hab Angst, dass der Eugen in seiner Verbohrtheit versucht, zwischen uns allen hier draußen Unfrieden zu stiften.«
Schorsch lächelte, während um seinen Kopf die bläulich-weißen Rauchschwaden zogen: »Oh, da brauchscht kei Angst zu han, Jakob.«
Der junge Steinbergbauer Uwe runzelte die Stirn. »Bevor der Alte da droben nicht tot ist, gibt es hier keinen Frieden.«
»Hat er denn auch mich bei euch mal schlecht gemacht – oder bei der Polizei?«, wollte Hudelmaier wissen. Seine Augen blitzten. Er kratzte sich wieder mit seinen rauen Fingern am Kopf.
Die Knolls sahen sich fragend an. Der Jung-Bauer meinte: »Was er bei der Polizei gesagt hat, wissen wir natürlich nicht. Bei uns jedenfalls hat er über dich nichts gesagt. Er war zwar mal hier und hat rumgetobt, aber nicht deinetwegen. Das Übliche halt.«
Der Alte ergänzte: »Und, was er der Polizei gsagt hat, woher sollen wir das wissn? Was soll er auch schon gsagt han?« Er drückte Tabak in seine Pfeife.
Hudelmaier trank wieder einen Schluck Most. »Was weiß ich?! Dem Eugen fällt immer eine Gemeinheit ein. Da kommt man schnell in was rein, wofür man gar nichts kann.«
»Allerdings«, stimmte ihm der Steinberg-Schorsch zu. »Der hat uns ein halbes Vermöge für Rechtsanwält kostet. Dieser Depp.«
Marc, der älteste Sohn der jungen Steinbergbauern, legte eine gespielte Coolness an den Tag: »Irgendwann müssen wir dem die Fresse polieren.«
Hudelmaier drehte sich erstaunt zu ihm um. »Aber, junger Mann! So kanns
Weitere Kostenlose Bücher