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Beweislast

Beweislast

Titel: Beweislast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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sich Ziegler zum Eingreifen veranlasst sah: »Herr Bruhn will damit sagen, dass es keinerlei Erkenntnisse gibt, die in Richtung der beiden Landwirte zielen. Natürlich haben wir auch dies geprüft. Aber wenn Sie die Verhältnisse da draußen kennen«, er sah die beiden Journalisten an, »dann muss Ihnen klar sein, dass deren Aussagen vor gegenseitigen Schuldzuweisungen strotzen, weil der jeweils andere anno 1897«, Ziegler grinste, »etwas Böses getan hat. Ich kann Ihnen gerne mal die dicken Aktenordner zeigen, in denen wir hunderte von Anzeigen gesammelt haben. Von der Sachbeschädigung bis zum angeblichen Mordversuch.«
    Die junge Frau von der ›Stuttgarter Zeitung‹ war nicht so leicht zu überzeugen: »Eben deshalb fragen wir. Wenn Sie vorhin von einem Affektstau gesprochen haben – um wie viel größer muss dieser bei den beiden Bauern da oben sein?«
    Ziegler erwiderte nichts mehr.

40
     
    Manuel und Chrissi waren am Abend wieder angereist und wollten das Wochenende in Donzdorf verbringen.
    Monika Ketschmar war blass und müde, ungekämmt und ungeschminkt. Sie umarmte die beiden und führte sie wortlos in das Wohnzimmer. »Tut mir leid, ich hab nichts, was ich euch anbieten könnte«, sagte sie. Ihre Augen waren gerötet. Sie hatte den ganzen Tag geweint und keinen Bissen essen können.
    »Ich war bei Gerd«, begann Manuel langsam und leise, »ich soll dir einen lieben Gruß bestellen und du sollst dir keine Sorgen machen.« Er sagte dies pflichtgemäß, obwohl Ketschmars Zustand etwas anderes befürchten ließ.
    »Wie geht es ihm? Wie haben sie ihn eingesperrt?« Manuel zuckte mit den Schultern. »Wie soll es einem schon gehen, wenn man eingesperrt ist. Mit drei Mann, sagt er.« Traknow wollte lieber nicht detailliert schildern, wie die Zustände in der Ulmer Untersuchungshaft waren. Wer da immer behauptete, U-Haft sei etwas ganz Harmloses, der hatte sich noch nie ernsthaft damit auseinandergesetzt.
    Chrissi hatte sich vorgenommen, ihre Mutter aufzubauen. So schwer es ihr auch selbst fiel, sie durfte jetzt nicht in dieses Wehklagen einstimmen. »Manuel hat schon die Akten angefordert«, sagte sie deshalb aufmunternd.
    Ihr Ehemann nickte. »Bevor ich nicht weiß, worauf sich der Haftbefehl genau bezieht, kann ich keine Beschwerde begründen.«
    Seine Schwiegermutter sah ihn flehend an. »Und wie lange, glaubst du, halten sie ihn fest?«
    Traknow versuchte, eine Antwort zu umgehen. Was sollte er auch sagen? Dass ihm ein schweres Verbrechen angelastet wurde? Dass er schlimmstenfalls erst wieder mit 70 rauskommen würde – nach 15 Jahren, was in Deutschland einem ›gewöhnlichen lebenslänglich‹ entsprach. Rauskommen, ja, vorausgesetzt, er würde diese halbe Ewigkeit überhaupt gesundheitlich überstehen. Irgendwo in einem Gefängnis, weit weg von hier. Der Anwalt schob solche Gedanken beiseite, obwohl es ihm schwer fiel. »Ich kann nichts dazu sagen«, log er, »manchmal geht es schnell, manchmal lassen sich die Juristen auch Zeit.«
    Seine Frau sah ihn zweifelnd an. Sie war nach allem, was er in den vergangenen Tagen gesagt hatte, sensibel geworden für jede Bemerkung, für jeden Hinweis. Sie spürte, dass Manuel nicht mit der Wahrheit herausrücken wollte. Jedenfalls war er erfahren genug, um die Situation entsprechend einschätzen zu können. Und bei allem, was er bisher wusste, schien es nicht einfach zu werden, ihren Vater aus den Mühlen der Justiz zu holen.
    »Gerd sagt, das Genmaterial am Pullover von diesem Grauer rühre daher, dass er ihn angespuckt hat«, erklärte er seiner Schwiegermutter. »Dass er impulsiv ist, wissen wir alle. Andererseits klammern sich die Juristen an das DNA-Gutachten, das heutzutage ein unumstößliches Beweismittel ist.«
    »Wenns der Täter war«, warf Chrissi empört ein, »aber auch damit kann man doch nicht jeden zum Verbrecher stempeln – bloß, weil er zufällig mal mit der falschen Person Kontakt hatte.«
    Manuel stimmte ihr zu. »Meist aber gibt es noch andere Indizien«, warf er vorsichtig ein, worauf Monika wieder zu schluchzen begann.
    »Andere? Aber doch nicht bei Vati?«
    »Das weißt du doch«, entgegnete Manuel, »das Auto und seine Beziehungen zum Arbeitsamt …«
    »Das brauchst du uns nicht zu sagen!«
    Manuel hob die Hände, um die Frauen zu beruhigen. »Die Erfahrung zeigt, dass die Justiz bei der Bewertung oftmals nur jene Punkte aus den Ermittlungsakten herauspickt, die in das Täterbild passen. Es gibt bei Gerd – und da bin ich mir absolut

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