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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Krankheit. Die reicht gerade mal für einen Einsiedlermönch, der allein sein will und jeden erschlägt, der in seine Nähe kommt. Aber das ist doch nichts für mich! Hier kann man doch kein rauschendes Jubelfest feiern. Was habt ihr euch eigentlich dabei gedacht, mir so eine Hundehütte anzubieten?«
    »Versündige dich nicht, Oma.« Gabriella befürchtete, dass sich Oma jetzt in Rage redete und auch nicht aufhörte, wenn Gäste dazukamen. »Ich finde die Kapelle sehr romantisch und stimmungsvoll und für unsere Zwecke vollkommen ausreichend.«
    »Du. Aber ich nicht.« Oma war jetzt beleidigt, und wenn sie Pech hatten, würde sie es auch den restlichen Tag über bleiben.
    Neri sagte gar nichts, sondern schaute über die sonnenbeschienenen Hügel und versuchte sich vorzustellen, das ganze Theater wäre schon vorbei.
    Allmählich trudelten die Gäste ein, denen erst kurzfristig der Ort der Feier bekannt gegeben worden war. Fernando und Ida, Remo und Silvana, Claudio und Rosanna und Fabio und Francesca. Lauter alte Freunde aus Rom, die keine Möglichkeiten hatten, hier im Ort Einzelheiten über die Feier in Ambra herumzutratschen. Dann Neris Cousine Manuela und ihr Mann Dario, die zurückgezogen auf dem Land lebten und mit kaum jemandem Kontakt hatten. Neri hatte sich den Mund fusselig reden müssen, um sie zum Kommen zu überreden, denn sie hatten für Festivitäten – egal welcher Art – rein gar nichts übrig.
    Gabriella hatte ihre Freunde Ilva und Arturo aus Trappola eingeladen und ihnen unter Androhung der Todesstrafe eingeschärft, hinterher kein Wort über das Fest zu verlieren, und dann war da noch Silena, Omas Weißweinfreundin, bei der als Einziger zu befürchten war, dass sie in Ambra Omas goldene Hochzeit unter die Leute bringen könnte. Als Neri fragte, ob Silenas Anwesenheit denn wirklich nötig sei, hatte Oma unter Tränen darauf bestanden, sie einzuladen. Silena sei nun mal ihre einzige und allerbeste Freundin, und es wäre ja wohl das Allerletzte, wenn Silena nicht käme. Außerdem würde Silena ihr eine Nichteinladung bis ans Ende ihrer Tage übel nehmen, und es wäre das Ende dieser wunderbaren Freundschaft.
    Wieder musste Neri kapitulieren und tröstete sich nur damit, dass Silena viel erzählte, wenn der Tag lang war, und die meisten Leute in Ambra diese wahnwitzige Geschichte wohl sowieso für eine erfundene Räuberpistole halten würden.
    So waren sie zusammen mit Don Lorenzo siebzehn Personen.
    Gabriella fand, dass die ganze Angelegenheit auch ihre praktische Seite hatte. Auf diesem Wege sahen sie schließlich ihre alten Freunde aus Rom einmal wieder.
    Und genau davor grauste es Neri ebenfalls: Neben Omas Irrsinn musste er auch noch den ganzen Abend Geschichten aus Rom ertragen, die ihm das Scheitern seiner Karriere, das er seit Jahren mühsam zu verdrängen suchte, wieder deutlich vor Augen führten, und er wusste, dass Gabriella anschließend mindestens eine Woche unglücklich und unleidlich war, weil sie aus neu erwachtem Heimweh fast verrückt wurde.
    Und alles wegen dieser verdammten goldenen Hochzeit.
    Die Gäste kamen, geführt von Don Lorenzo, den schmalen Weg herunter, begrüßten Neri und Gabriella mit leisen Worten, was Neri an eine Beerdigung erinnerte, und nahmen in der Kapelle Platz. Es war eng, aber es ging. Für Oma stand in der Mitte, vor dem Altar, ein einzelner Stuhl.
    Arturo saß in der letzten Reihe außen, hatte seinen iPod dabei und war bereit, sich während der Zeremonie um die Musik zu kümmern, da er Hunderte CD s, auch Orgelmusik, gespeichert hatte. Oma würde es nicht auffallen, dass es in der Kapelle gar keine Orgel gab.
    Als die Musik einsetzte, kam Neris schwerster Moment. Er schritt mit Oma an der Hand, die aussah wie die Froschkönigin, durch die Kapelle und führte sie zum Stuhl. Oma strahlte ihn an und setzte sich, Neri verschwand auf seinem Platz neben Gabriella, ganz außen rechts in der ersten Reihe, und wollte sterben.
    Als Don Lorenzo mit der Messe begann, versuchte er zu schlafen, damit die Zeit schneller verging und er nichts mitbekam.
    Wach wurde er wieder bei der Predigt, als ihn Gabriella in die Seite boxte.
    »Unsere heutige Feier, liebe Freunde, ist ein Fest der Treue. Die Treue ist eine der wichtigsten Tugenden überhaupt, denn was gibt es Wichtigeres zwischen zwei Menschen als Treue? Sie basiert auf gegenseitigem Vertrauen und ist vielleicht die einzige Verlässlichkeit, die wir im Leben erfahren. Nur dadurch kann sich der Mensch geborgen und

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