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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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merkwürdig, dachte Neri. Da passt eine junge, fünfundzwanzigjährige Frau Tag für Tag auf ein kleines Mädchen auf. Der Job macht ihr Spaß, sie macht ihn gut – und sie will selbst keine Kinder? Das konnte nur an dem Kotzbrocken Vasco liegen. Er fragte sich jetzt allerdings, warum sie so lange bei ihm geblieben war. Ein Zuckerschlecken war das Leben mit ihm sicher nicht gewesen, und Neri konnte gut verstehen, dass ihr jetzt die Hutschnur gerissen war und sie das Weite gesucht hatte.
    Es galt also, Vasco zu beruhigen, denn er hatte keine Lust, ganz Italien nach einer lebenslustigen Ragazza abzusuchen, die endlich kapiert hatte, dass der Mann an ihrer Seite ein arbeitsloser und gewalttätiger Volltrottel war.
    »Wer bezahlt die Miete für eure Wohnung, wenn du keine Arbeit mehr hast?«, fragte Neri.
    »Meine Eltern. Das heißt, ihnen gehört die Wohnung. Aber das hab ich Paola nie gesagt. Sie dachte, die Wohnung ist von mir gemietet.«
    »Und warum das Theater?«
    »Ich weiß nicht. Jedenfalls war sie dankbar, dass sie umsonst bei mir wohnen durfte und nichts dazuzahlen musste.«
    »Mit Speck fängt man Mäuse.«
    »Ja, vielleicht.« Langsam wurde Vasco der Carabiniere unangenehm. Er hatte eine Art, ihm Dinge zu entlocken, die Vasco eigentlich gar nicht erzählen wollte. Es passierte so nebenbei, und Vasco fühlte sich ihm gegenüber vollkommen machtlos. Dieser Neri war raffiniert. Er musste auf der Hut sein.
    Neri pfiff leise vor sich hin. In der Ferne konnte er bereits das Castelletto sehen.
    Vasco hatte Appetit auf ein Bonbon, aber er hatte keines dabei. Heute Morgen hatte er nur ein halbes Glas Wasser getrunken, er war zu aufgeregt, hatte keine Ruhe, sich einen Kaffee zu kochen. Und jetzt war ihm ganz flau im Magen.
    »Sind wir angemeldet?«, fragte er, als sie den Weg zum Castelletto hinauffuhren.
    »Nein. Als Carabiniere meldet man sich nie an. Es ist immer gut, diejenigen, mit denen man reden will, zu überraschen beziehungsweise auf dem Standbein zu erwischen.«
    Er ist auf meiner Seite, dachte Vasco, lieber Gott, ich danke dir.
    Wie schön es hier ist!, dachte Neri, als sie vor dem Castelletto standen. Den herrlichen Blick und das liebevoll gepflegte Grundstück hatte er das letzte Mal gar nicht wahrgenommen, weil er nur mit Omas Schwachsinn beschäftigt gewesen war.
    Hier zu leben musste ein wahres Geschenk sein, die Deutschen hatten sich wirklich ein kleines Paradies geschaffen.
    Er atmete tief durch und stellte sich gerade vor, hier den ganzen Sommertag lang nur mit einem Getränk still sitzen zu können, als der Padrone aus dem Haus kam.
    Karl strahlte. »Buongiorno, Signor Neri!«, rief er schon, während er die Treppe hinunterlief, und dankte insgeheim dem Himmel, dass er mit dem Carabiniere reden würde. So konnte er wenigstens sicher sein, dass Christine nichts Falsches sagte.
    »Buongiorno, Vasco«, ergänzte er wesentlich kühler. »Was kann ich für Sie tun? Möchten Sie etwas trinken? Einen Kaffee? Ein Glas Wasser, einen Wein?«
    »Einen Kaffee, gern.«
    Auch Vasco nickte dazu stumm.
    »Cecilia!«, rief Karl, und Cecilia steckte den Kopf aus der Küchentür, während sie sich die Hände an ihrer Schürze abtrocknete. »Bring uns bitte drei Kaffee und drei Wasser.«
    Cecilia nickte.
    Karl deutete auf einen Tisch im Schatten.
    »Bitte. Nehmen Sie Platz.«
    »Sie haben sicher schon gehört, dass Ihre Angestellte Paola, Vascos Freundin, verschwunden ist.«
    »Ja. Wir haben mit ihm« – Karl deutete auf Vasco – »telefoniert, weil wir fürchterlich ärgerlich waren, dass Paola einfach nicht kam. Dass sie noch nicht einmal anrief und sagte, warum sie nicht kommen könnte. Das war der Tag, an dem die goldene Hochzeit Ihrer Schwiegermutter gefeiert wurde. Wir sind ganz schön ins Schleudern gekommen, weil wir niemanden hatten, der auf unsere kleine Stella aufpassen konnte.«
    »Sie hat also die ganzen Tage nicht angerufen?«
    »Nein.«
    »Sie haben absolut nichts von ihr gehört?«
    »Nein. Aber das hab ich ihm ja schon gesagt.«
    »Ist das schon einmal vorgekommen, dass sie einfach so wegblieb?«
    »Nein, nie. Sonst hätten wir ihr wahrscheinlich schon längst gekündigt. Unzuverlässige Mitarbeiter können wir nicht gebrauchen.«
    »Haben Sie eine Ahnung oder eine Idee, wo Paola sein könnte?«
    »Nein. Nicht die geringste. Aber ich kenne ja auch ihre Freunde und Lebensumstände nicht. Ich weiß nur, dass sie einen Streit mit Vasco hatte.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Er hat es uns selbst am

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