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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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kann auch nicht. Wir haben es hier nicht mit einem Kind, sondern mit einer Erwachsenen zu tun, Vasco. Kapierst du das? Die Frau kann machen, was sie will, sie kann nach China fliegen und nie wiederkommen, und du kannst nichts dagegen tun! Und dafür sind wir Carabinieri nicht zuständig. Im Moment sieht nichts nach einem Verbrechen aus, und vielleicht liegt sie gerade in Costa Rica am Strand, blinzelt in die Sonne und wackelt mit den Zehen. Und du machst hier die ganze Welt verrückt.«
    Vasco konnte nicht verstehen, dass ihm der Carabiniere so überhaupt nicht helfen wollte, sondern seine Sorgen einfach wegwischte und abschmetterte.
    »Ich möchte eine ganz offizielle Vermisstenanzeige aufgeben«, sagte er mit letzter Kraft. »Ich möchte, dass das alles untersucht wird und seinen offiziellen Dienstweg geht.«
    Neri starrte ihn an. Dieser Mann war ja wohl unmöglich.
    »Du willst mir also Arbeit machen?«, fragte er verärgert. »Du willst also, dass wir für nichts und wieder nichts Akten eröffnen und vollschreiben, nur weil deine Freundin von dir, von eurem Streit, von deinen Schlägen oder von was weiß ich die Nase voll hatte, was jeder Mensch gut verstehen kann. Das willst du also, ja?«
    »Ja, das will ich«, sagte Vasco kalt.
    »Gut«, erwiderte Neri ebenso kühl, »dann treffen wir uns morgen früh um neun Uhr hier in meinem Büro und fahren zusammen ins Castelletto. Dort kannst du deine Vorwürfe ja mal formulieren.«
    »Va bene«, sagte Vasco und lächelte breit. »Sehr gerne. Um Punkt neun bin ich hier. Tante grazie und einen wunderschönen Abend für Sie, maresciallo.«
    Damit rauschte Vasco hinaus.
    Neri wartete noch fünf Minuten, dann ging er auch und verschloss sein Büro.

59
    Am nächsten Morgen registrierte Neri erleichtert, dass Vasco nicht mehr säuerlich roch. Dafür hatte er feucht glänzende Haare und eine großporige, rote Gesichtshaut, als habe er drei Stunden unter der Dusche gestanden. Auch sein T-Shirt hatte er gewechselt, das frische war rot und hatte orangefarbene Streifen, was Neri allein beim Hinsehen Kopfschmerzen verursachte.
    Sie fuhren im Wagen der Carabinieri, und Neri ließ sich Zeit. Es war ein herrlicher, sonniger Morgen, und Neri hatte keine Lust, vor der Mittagspause zurück im Büro zu sein. Also musste er nicht rasen, und wenn er im Castelletto auch noch einen Kaffee bekam, war alles gut und der Tag gerettet.
    »Wie war deine Beziehung zu Paola?«, fragte er Vasco eher aus Langeweile als aus Neugier.
    »Gut. Wenn Paola frei hatte, sind wir oft spazieren gegangen. Weil sie es mochte. Ich nicht so. Aber ich hab alles gemacht, was sie wollte. Ab und zu sind wir auch ins Kino gegangen. Sie hat so gern Filme geguckt. Ich nicht so, aber gut. Wenn sie es wollte, haben wir es eben gemacht. Ich bin lieber essen gegangen, aber das wollte sie nicht so gern, sie war ja immer auf Diät.«
    Na toll, dachte Neri, großartig. Im Grunde passten die beiden zusammen wie Fisch und Katze: nämlich gar nicht.
    »Das stell ich mir sehr schwierig vor, mit euren unterschiedlichen Interessen.«
    »Nee, gar nicht. Lief alles prima, bis sie dann immer länger und immer mehr im Castelletto arbeitete. Das hat mich aufgeregt.«
    »Hast du ein Bild von Paola dabei?«
    Vasco schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »Wie blöd von mir. Daran hab ich gar nicht gedacht!«
    Neri schwieg. Es war immer dasselbe. Wenn die Leute ihren Dackel vermissten, brachten sie gleich zehn Fotos mit, bei ihren Angehörigen hatten sie in den seltensten Fällen eins dabei. Aber er sagte nichts. Bei Vasco waren ohnehin Hopfen und Malz verloren.
    »Habt ihr oft gestritten?«
    »Eigentlich nicht, nein.«
    Neri sah Vasco an, aber bei der ohnehin schon krebsroten Gesichtshaut konnte er nicht feststellen, ob er rot geworden war und gelogen hatte.
    »Aber du hast sie ab und zu geschlagen!«
    »Ein bisschen. Aber nicht schlimm. Sie ist die schönste Frau im Valdambra. Und sie flirtet mit Händen und Füßen und mit jedem Baum am Straßenrand. Da kann man schon mal verrückt und sauer werden. Verstehen Sie das?«
    Neri hütete sich, einen Kommentar abzugeben, aber er hatte sehr wohl verstanden. Vasco hatte Paola also grün und blau geprügelt, wenn sie nur mit den Wimpern geklimpert hatte, weil ihr eine Fliege ins Auge geflogen war.
    An Vascos Seite zu leben, war sicher kein Spaß gewesen.
    »Wolltet ihr heiraten?«
    »Wir haben nie darüber gesprochen.«
    »Wollte sie denn keine Kinder?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Sehr

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