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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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schwieg.
    »Du, ich halte das nicht aus! Er ist ein Monster, ein Teufel! Seit er hier ist, habe ich Angst. Er macht uns alle wahnsinnig, bringt alles durcheinander, und er hat Paola umgebracht. Er ist ein Mörder, er ist gewalttätig und fürchterlich aggressiv. Wer weiß, was noch passiert. Karl, bitte. Unternimm irgendetwas, damit er abhaut. Bitte!« Und nach einer Pause fügte sie hinzu: »Ich kann es kaum aussprechen, aber ich hasse ihn.«
    Karl verzog keine Miene, sondern sagte: »Mir geht es wie dir. Ich traue ihm auch überhaupt nicht mehr. Und am liebsten würde ich ihn rund um die Uhr beobachten und bewachen.« Er nahm ihre Hand und drückte sie fest. »Christine, unser Sohn ist krank. Sehr krank. Er ist eine psychische Zeitbombe, die jeden Moment erneut explodieren kann. Denn das, was mit Paola passiert ist, kann man ja auch schon als Explosion bezeichnen. Aber ich habe auch wie du das blöde Gefühl, es kommt noch schlimmer.«
    »Oh, mein Gott!«
    »Ich will dir nicht noch mehr Angst machen, als du ohnehin schon hast, aber es ist so. Und ich weiß nicht, wie es weitergeht. Ich weiß es wirklich nicht. Das Schlimme ist, dass er macht, was er will. Stella vergöttert ihn, und er wird uns niemals über seine Vorhaben Bescheid geben. Weil er es zum Kotzen findet, mit uns zu reden. Weil er sich dann fühlt wie ein kleiner Junge, der ›Bitte bitte‹ sagen muss. Vergiss es, Christine. Wir müssen einfach aufpassen. Im Grunde rund um die Uhr.«
    »Wir sollten also Wache schieben und in der Nacht unentwegt nach Stella sehen?«
    »Ja, das sollten wir.« Karl war sehr ernst und trank langsam seinen Rotwein.
    »Aber er wird doch hoffentlich seiner kleinen Schwester, die er so sehr liebt, nichts tun?«
    »Weißt du das? Er ist unberechenbar. Er ist cholerisch. Er ist überaus leicht reizbar und ständig betrunken. Ich kann dir nicht sagen, wann er durchknallt. Ich kann dir nur sagen, dass ich ihn nicht kenne, dass er mir unheimlich ist und dass ich ihn wie du am liebsten auf den Mond schießen würde.«
    »Glaubst du, er tut auch uns etwas an?«
    »Ich glaube, dass er zu allem fähig ist.«
    »Karl, dir fällt doch sonst immer was ein! Was sollen wir denn machen?«
    »Keine Ahnung. Aber du musst aufpassen. Er ist nicht unser Sohn, Christine, er ist unser Feind.«
    Christine trank einen Schluck und sackte innerlich zusammen. Sie konnte nichts mehr denken, nichts mehr sagen, nichts mehr fühlen. Und vor allem konnte sie sich nicht erklären, was schiefgelaufen war. Wie sie in die Situation kommen konnte, sich vor ihrem eigenen Sohn zu fürchten.
    »Wo gehst du hin?«, fragte sie, als Karl aufsprang und die Treppe hinunterlief.
    »Ich gucke nach Stella«, sagte er. »Ob alles in Ordnung ist.«

58
    »Buonasera«, sagte Donato Neri und seufzte. Er liebte es gar nicht, wenn er seine Sachen schon zusammengepackt hatte und fünf Minuten vor Dienstschluss noch jemand in seinem Büro erschien, um unwichtige Fragen zu stellen, ihn mit nebensächlichen Dingen vollzulabern und Arbeit zu machen.
    Neri zuckte generell immer zusammen, wenn jemand bei ihm anklopfte. Denn da in dieser Gegend noch nicht einmal zu Weihnachten jemand mit einem Präsentkorb erschien, konnte ein Besucher eigentlich nie etwas Gutes bedeuten.
    Vor ihm stand ein kräftiger Mann, der seine Jeans und sein T-Shirt sicher schon Tage nicht mehr gewechselt hatte und der einen leicht säuerlichen Geruch verströmte.
    »Was gibt’s?«, fragte Neri angewidert und desinteressiert.
    »Mein Name ist Vasco Boschino«, sagte der Hüne mit einer so schwachen, dünnen Stimme, dass Neri überrascht aufsah. »Ich wohne in der Via Petrelli 79, und ich möchte melden, dass meine Freundin verschwunden ist. Seit vier Tagen.«
    Jetzt seufzte Neri deutlich hörbar. Bitte nicht schon wieder. Jeder, der in seiner Beziehung Funkstille hatte, wegen des ausgeschalteten Handys der Angebeteten verzweifelte oder sich nicht erklären konnte, warum sie nicht zu Hause war, kam zu den Carabinieri, in der Hoffnung, dass sie die Gesuchten herbeizaubern, Beziehungen kitten oder mit der ganzen Macht ihrer Staatsgewalt trösten konnten.
    »Ich glaube, ich habe dich schon ein paarmal auf dem Markt und in der Bar gesehen. Kann das sein?«
    »Sicher. Ich wohne ja hier. Da bin ich auch ab und zu mal auf dem Markt.«
    Neri fand die Bemerkung ausgesprochen frech, und das machte ihm Vasco noch unsympathischer.
    »Was arbeitest du?«
    »Gar nichts im Moment.«
    »Das ist ja nicht viel.«
    »Nee. Ich war

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