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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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bisschen auf die Palme.
    In Gedanken ging er die Strecke vom Theater nach Hause noch einmal ab. Als Erstes kam der Zwiebeltopf , aber dort war er schon Wochen nicht mehr gewesen, weil das Bier zu teuer war. Das Würfling war zurzeit wegen Renovierungsarbeiten geschlossen, und dahinter kam Susis Etablissement, der Puff. Da kostete die einfachste Nummer schon fünfzig Euro, also konnte er auch dort nicht gewesen sein. Obwohl sowohl Mimi als auch Olga manchmal anschreiben ließen. Er bezahlte oft erst am Monatsanfang.
    Und die Spielothek gleich neben dem Puff schloss um vierundzwanzig Uhr. Also wo, zum Teufel, war er von zwei bis halb fünf Uhr früh gewesen?
    »Sorry, Erika«, fuhr er fort, »so ganz klar ist mir das alles nicht mehr. Mit wem bin ich gegangen? Mit Bruno und Joachim?«
    »Richtig. Wenigstens gehen konntet ihr noch.«
    »War sonst noch jemand hier?«
    »Nee. Ihr wart die Letzten. Wie immer.«
    »Ah ja. Alles klar.« Er setzte sich an einen der Tische, hatte keine Lust, vor der Umbauprobe noch mal nach Hause zu gehen, und blieb noch eine Weile in der Kantine. Er trank zwei weitere Biere, obwohl Erika empört grunzte, und ging dann in die Werkstatt, um den Werkzeugschrank aufzuräumen.
    Bruno und Joachim hatten genau wie er Dienst um drei, Bruno kam als Erster um halb drei.
    Er war ein bisschen wacklig auf den Beinen und hatte eine ungesunde Blässe. Kleine Schweißperlen standen ihm auf der Stirn.
    Offensichtlich kann ich solche Nächte viel besser wegstecken, dachte Raffael, aber vielleicht lag es auch an den drei Bieren, die er bereits intus hatte, sodass er sich jetzt fast fit fühlte.
    »Moin«, knurrte Bruno.
    »Geht’s dir nicht gut?«
    »Nee.«
    »Trink ein Bier, dann geht’s dir besser.«
    »Oh Mann, wenn ich nur an Bier denke, könnte ich kotzen.«
    Raffael schwieg. Bruno war da ganz anders gestrickt als er.
    »Wie bist’n du gestern nach Hause gekommen?«
    »Gut. Bin gelaufen. Zwar über ’ne halbe Stunde, aber das war nicht schlecht. Danach fühlste dich fast schon wieder nüchtern.« Er grinste.
    Bruno hatte also keinen Filmriss, und Raffael überlegte, ob er nicht schon längst etwas gesagt hätte, wenn es nach dem Besäufnis irgendeine blutige Auseinandersetzung gegeben hätte.
    »Und Joachim? Geht’s ihm auch gut?«
    »Klar. Wie immer. Der kommt gleich, redet nur noch mit Frank.«
    Nichts. Es war also absolut gar nichts passiert. Für Bruno und Joachim war es ein ganz normaler Abend gewesen, vielleicht mit ein bisschen zu viel Alkohol, aber das war nach einer Premiere ja nichts Besonderes. Kein Streit, keine Prügelei, nichts.
    So wie damals, im Februar. Da waren sie nach der Pre miere von Des Teufels General noch in der Calypso -Bar gewesen und hatten anständig einen über den Durst getrunken. Sie saßen alle drei an der Theke, und Raffael konnte sich kaum noch auf dem Barhocker halten. Die ganze Welt drehte sich beängstigend, die Flaschen vor der verspiegelten Wand hüpften und tanzten, kamen auf ihn zu und flogen wieder davon.
    Ein paar Plätze weiter hockte ein Typ am Tresen, circa Mitte vierzig, Typ Möchtegern-Geschäftsmann, der wahrscheinlich gerade mit seiner dritten Scheidung beschäftigt war, kein sauberes Hemd mehr im Schrank und morgens weder Lust noch Kraft hatte, sich zu rasieren. Er hing so schlaff am Tresen, dass sein Gesicht beinah in den Martini fiel. Ab und zu schreckte er hoch, als wolle er sich zusammenreißen. Offensichtlich hatte er nicht viel weniger getankt als Bruno, Joachim und Raffael.
    Er konnte nicht sagen warum, aber der Loser da am Tresen ging Raffael unglaublich auf den Zeiger. Er hatte Lust, ihm die wehleidige Fresse zu polieren.
    »Was glotzt du mich so dämlich an?«, brüllte er auf einmal völlig unvermittelt. Dabei hatte der Unrasierte noch nicht ein einziges Mal zu Raffael herübergeschaut. Erst jetzt sah er überrascht auf, kräuselte die Stirn und versuchte zu kapieren, was los war, was der, der ihn da anbrüllte, überhaupt wollte.
    »Ja, dich mein ich!«, setzte Raffael nach. »Passt dir irgendwas nicht? Ist meine Nase schief?«
    »Raffael, hör auf!«, raunte Bruno. »Was ist denn los mit dir? Der Typ hat dir nichts getan!«
    »Der Typ regt mich auf, das ist los.«
    Raffael bebte vor Zorn, und Bruno schüttelte nur voller Unverständnis den Kopf.
    »Komm, wir zahlen und gehen«, meinte jetzt auch Joachim.
    »Gleich, aber vorher schlag ich dem Backpfeifengesicht noch die Zähne aus.«
    Er rutschte vom Barhocker und ging zu dem Mann, der

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