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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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alles gehört hatte und immer verstörter wirkte.
    Raffael stemmte die Hände in die Hüften. »Na, was ist? Gehen wir vor die Tür? Wollen wir das mal klären, wer hier wen blöde angemacht hat?«
    Der Mann schüttelte irritiert und auch verängstigt den Kopf.
    »Ach so. Du bist also zu feige.«
    »Lass ihn, Raffael!« Bruno klang jetzt wesentlich schärfer. »Lass ihn in Ruhe! Es ist alles okay. Wir gehen jetzt.«
    Joachim bezahlte, und der Barkeeper beobachtete Raffael argwöhnisch.
    Raffael konnte kaum noch stehen. Er stand vor seinem Opfer, stierte ihn mit glasigen Augen an, die sich nicht mehr auf einen Punkt fixieren ließen, und torkelte vor ihm hin und her. Dabei bedrohte er ihn, indem er mit dem Finger auf ihn zeigte.
    »Wir sprechen uns noch, Freundchen. Und wenn ich dich hier noch einmal treffe, schlage ich dich windelweich.«
    Bruno packte Raffael derb an der Jacke und schob ihn unsanft aus dem Lokal.
    »Du hast sie ja wirklich nicht alle«, sagte er, als sie alle drei vor der Bar auf der Straße standen. »Willst du unbedingt wegen nichts ’ne Prügelei provozieren? Du spinnst doch total!«
    Raffael sagte nichts, sondern starrte Bruno nur schweigend an. Sein Gesichtsausdruck zeigte, dass er nicht mehr einordnen konnte, ob da ein Freund oder Feind zu ihm sprach, er begriff und verstand gar nichts mehr.
    Schließlich drehte er sich um und versuchte wegzugehen, aber die beiden liefen hinter ihm her, damit er nicht in die vorbeifahrenden Autos torkelte, hakten ihn rechts und links unter und schleppten ihn zum nächsten Taxistand.
    Es ist alles gut, alles wie immer, versuchte er sich jetzt einzureden, hör auf, daran zu denken, du machst dich bloß verrückt. Deine Freunde sind gegangen, und du bist einfach eingeschlafen. Das ist alles. Es gibt eben Dinge zwischen Himmel und Erde, die man sich nicht erklären kann. Wahrscheinlich stammten die Flecken doch von Rotwein. Natürlich! Es konnte gar nicht anders sein. Er war eben heute Morgen noch nicht ganz wach gewesen, als er sie interpretiert hatte.
    Raffael atmete erleichtert tief durch, aber dann fiel ihm siedend heiß ein, dass er den ganzen Abend keinen Rotwein getrunken hatte. Und die andern auch nicht. Nur Bier und Schnaps. Wie sollten da Rotweinflecken auf seine Kleidung kommen?
    Und wie ein kaltes Fieber kam die Angst zurück. Er fühlte sich wie ein Schwimmer, der im glasklaren Wasser unter sich die Haie tanzen sieht und ganz genau weiß: Der Angriff kommt. Die Frage ist nur, wann.
    Die anschließende Umbauprobe und die abendliche Vorstellung absolvierte er wie in Trance. Er funktionierte, ohne nachzudenken, machte sich gar nicht bewusst, was er tat. Irgendwann nach Mitternacht wunderte er sich, dass er wieder auf der Straße stand und alles vorbei war.
    Er hatte Lust, in eine Kneipe zu gehen und sich erneut die Kante zu geben, aber dann ging er doch einfach nur zur Tankstelle, wie fast jeden Abend.
    »Gib mir mal ’n Sixpack, Ernst«, sagte er, als er den Verkaufsraum betrat.
    »Mach ick. Wenn de mir ooch dit von jestern bezahlst.«
    »Wie?«
    »Red ick chinesisch? Jestern Nacht haste eens jeholt, aber hattest keen Jeld. Is ja keen Problem, ick will nur nich warten bis Pflaumenpfingsten, da haste dit dann nämlich wieder verjessen, und ick kann meen Jeld in’ Wind schreiben.«
    Raffael glaubte Ernst. Also hatte er sich noch ein Sixpack geholt und es irgendwo getrunken.
    »Alles klar, Ernst. Kein Problem. Wie spät war’s denn ungefähr, als ich hier war?«
    »Warte mal.« Ernst dachte scharf nach. »So jegen drei musset jewesen sein. Ja, ick gloobe. Kann ooch halb vier jewesen sein, aber später nich.«
    »Und? Is dir an mir irgendwas aufgefallen?«
    »Nee, wieso? Wat soll mir denn ufffallen?«
    »War alles ganz normal?«
    »Ja. Du hattest eenen im Tee, dit hab ick jemerkt, aber dit is ja nischt Besondret.«
    »Und ich war allein, ja?«
    »Ja, klar warste alleene. Mannomann, musst du eenen inner Hacke jehabt haben, dass du janischt mehr weeßt. Sei froh, dass de noch nach Hause jefunden hast.«
    Raffael lachte hilflos. »Ja, war ziemlich heftig gestern. Danke, Ernst.«
    Jetzt fehlten ihm nur noch anderthalb Stunden, in denen die Biere ihm dann wirklich den Rest gegeben hatten. Die Frage war nur, wo er sie getrunken hatte. Zu Hause nicht, die leeren Flaschen wären ihm aufgefallen. Vielleicht irgendwo im Park.
    Der Gedanke erschreckte ihn. Jetzt benahm er sich schon wie ein Penner, der sich irgendwo im nächtlichen Berlin auf einer einsamen

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