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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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sollte.
    Er entschied sich dafür, direkt nach Hause zu gehen.
    Wollte schlafen. Einfach nur schlafen. Um dumme Gänse wie Natascha so schnell wie möglich zu vergessen.

14
    »Guten Morgen, Lilo! Hast du gut geschlafen?«
    Lilo trank gerade ihren Kaffee und war in die Zeitung vertieft. Jetzt schreckte sie hoch.
    Vor ihr stand Raffael und grinste.
    Lilo war so baff, dass sie einen Augenblick nicht wusste, was sie sagen sollte.
    Raffael schenkte sich Kaffee ein. »Was ist los?«
    Lilo sah auf die Uhr. »Weißt du, wie spät es ist?«
    »Ja. Viertel vor acht.«
    »So früh! Musst du jetzt schon ins Theater?«
    »Ja. Wir haben schon erste Bühnenprobe zur Zeugin der Anklage . Ist im Moment der reinste Irrsinn. Eine Premiere jagt die andere. Zurzeit haben wir neun Stücke auf dem Spielplan, und Freitag kommt das zehnte dazu.«
    » Zeugin der Anklage gucke ich mir bestimmt an. Ich kenne den Film.«
    »Dann mach dir die Erinnerung nicht kaputt. Ich weiß nicht, ob die Premiere was wird. Glaub’s kaum, ist ein ziemlicher Quark.«
    »Magst du Toast?«
    »Nee, danke.«
    »Aber du musst doch was essen, bevor du zur Arbeit gehst.«
    »Nee, muss ich nicht. Aber heute Abend bin ich zu Hause, Lilo. Wir haben schon ewig nicht mehr zusammen gegessen. Wollen wir was kochen?«
    »Oh, ja, wie schön! Worauf hast du denn Appetit?«
    »Du machst so tolles Rindergeschnetzeltes. Da könnte ich mich reinlegen. Mit Pilzen und Sahnesoße und Nudeln. Und Salat. Wie findest du das?«
    »Großartig!« Lilo strahlte. Mit allem hatte sie gerechnet, aber nicht damit. »Dann gehe ich einkaufen. Wann kommst du nach Hause?«
    Raffael überlegte. »Die Probe geht wahrscheinlich so bis vier, danach müssen wir wieder auf Anfang zurückbauen, aber dann bin ich um sechs hier. Spätestens um sieben.«
    »Prima.«
    Er trank im Stehen schnell zwei Becher mit schwarzem Kaffee und drückte Lilo einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
    »Tschüss, bis nachher.«
    »Ach übrigens: Hast du schon gemerkt? Das Treppengeländer ist repariert, und im Keller und im Treppenhaus brennt wieder Licht. Wie kommt das denn?«
    »Ich habe mit dem Hausmeister gesprochen«, meinte Raffael und grinste wieder. »Er ist ein sehr intelligenter und einsichtiger Mann. Es hat mich keine große Mühe gekostet, ihn zu überzeugen, dass die Reparaturen nötig sind. Ein wirklich netter Mensch.«
    Er verließ die Küche, und nur Sekunden später hörte Lilo, dass die Wohnungstür ins Schloss fiel.
    Sie stand am Fenster und sah ihm nach, wie er sich aufs Rad schwang und davonfuhr.
    Um zehn vor halb neun betrat Raffael durch den Bühneneingang das Theater.
    Auf der Bühne tobte das Chaos. Überall lagen Bretter herum, Leitern, Handwerkszeug, noch nicht verlegte Kabel. Schrauben kullerten über den Fußboden, und Kulissenteile aus Sommergäste lehnten an der Wand, die hier jetzt für die Zeugin der Anklage absolut nichts zu suchen hatten. Die Bühnengassen waren vollgestellt mit undefinierbarem Gerümpel und Requisiten. Der Bühnenbildner strich hektisch eine Abdeckung, die nicht eingeschwärzt worden und vom Rang aus zu sehen war, die Beleuchter montierten Scheinwerfer, brüllten sich gegenseitig an und versuchten, die Bühne schon mal grob mit einer Grundstimmung einzuleuchten, die Regieassistentin rannte von links nach rechts, weil sie sich überflüssig vorkam und jetzt so tun musste, als kontrolliere sie das Bühnenbild. Bruno versuchte gemeinsam mit Frank eine Tür zu schließen, die immer wieder von allein aufschwang, und zwei Bühnenarbeiter schleppten einen schweren Schreibtisch über die Bühne, ohne einen blassen Schimmer davon zu haben, wo sie ihn hinstellen sollten.
    Und in all dem Irrsinn stolperte »der Richter« durch die Gegend. Er war bereits im Kostüm und schrie hochgradig empört nach der Kostümbildnerin, weil sein Talar viel zu lang war und mindestens zehn Zentimeter gekürzt werden musste.
    Das Chaos um ihn herum schien er gar nicht zu bemerken. Völlig unsensibel für die schuftenden Bühnenarbeiter brüllte er: »Ja, hört mich denn keiner? Ja, interessiert sich denn keiner für mich? Ich spiele hier eine Hauptrolle , aber offensichtlich ist das ja egal. Ist denn keiner da?«
    Er schielte gegen das Licht und sah den Regisseur im Zuschauerraum nicht, der sich nicht rührte, sondern nur hin und wieder auf die Uhr sah und absolut keine Lust hatte, sich mit einem eitlen Schauspieler zu unterhalten.
    Theater könnte so schön sein, wenn die dämlichen Schauspieler nicht

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