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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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wären, dachte Regisseur Helmut Weser und amüsierte sich über seinen eigenen Gedanken.
    Raffael reichte es jetzt schon. Er konnte dieses Durcheinander der ersten Bühnenproben nicht ausstehen. Am liebsten wäre er auf der Stelle nach Hause gegangen, um diesem Wahnsinn zu entkommen. Denn dass in anderthalb Stunden die Probe beginnen sollte, schien unvorstellbar.
    Er begann zu zittern, versuchte es zu ignorieren und fing an, einige Stühle, die in dem Stück nichts zu suchen hatten, Leitern, Eimer, ein schmiedeeisernes Gartentor, eine Kabeltrommel und etliche andere Kleinigkeiten ins Magazin zu tragen.
    Dann öffnete er sein erstes Bier an diesem Morgen und trank es in einem Zug – auf der Toilette. Von dort hörte er über die Mithöranlage Frank herumkommandieren, aber er konnte nicht verstehen, was er sagte.
    Dann rief Frank über Lautsprecher seinen Namen.
    »Raffael! Kommst du bitte sofort auf die Bühne! Raffael!«
    Raffaels Herz begann zu rasen, doch er gab sich einen Ruck, hetzte durch die Gänge und erschien zwei Minuten später Kaugummi kauend auf der Bühne.
    »Zieh die krummen Bühnennägel aus dem Fußboden und sammle sie ein. Auch die, die jetzt schon rumliegen. Die Schauspieler könnten sich verletzen!«, blökte Frank. »Aber zack zack und ein bisschen plötzlich. In ’ner halben Stunde geht’s los!«
    Raffael begann zu arbeiten, aber er stand kurz vor der Explosion. Er hasste Frank, diesen Kasernenbefehlston, das ganze Chaos, dieses Theater, die schwachsinnigen Arbeiten, die Eile, den Stress – er brauchte dringend noch ein oder zwei Bier, um das alles durchzuhalten.
    Als die erste Probe im Bühnenbild und in Kostüm und Maske anderthalb Stunden später als geplant begann, war das für Theaterverhältnisse noch überpünktlich. Raffael hatte bereits drei Bier intus, das Bühnenbild stand notdürftig, und die Kostümbildnerin hatte den Talar des Richters drastisch gekürzt.
    Helmut Weser hatte sich sein Regiepult in die Mitte der sechsten Reihe bauen lassen, fläzte sich dort in seinen Polsterklappstuhl, rauchte und schnipste die Asche auf die Sitzpolster. Das Mikrofon benutzte er nur, um die Techniker während der Umbauten zur Eile anzutreiben und den Tontechniker zur Sau zu machen.
    Seit einer Stunde wurde die Eingangsmusik probiert, die mit Licht auf dem Vorhang begann und dann präzise in der Sekunde aufhören sollte, wenn sich der Vorhang vollständig geöffnet hatte und an die Portale schlug.
    Es hatte bisher nicht ein einziges Mal geklappt.
    »Ihr habt ja alle keine Ahnung, wie wichtig diese Scheißmusik am Anfang ist!«, schrie Weser ins Mikrofon. »Wenn der Anfang von der Technik her gut funktioniert, dann sind die Zuschauer gut gelaunt und die Schauspieler schon auf ihre Rolle eingestimmt. Denn ich hab mir ja was gedacht bei der Musik! Das ist ja nicht irgendwas, was wir hier einspielen. Und wenn das schon am Anfang in die Hose geht, dann könnt ihr das ganze Stück vergessen! Geht das endlich in eure Köpfe? Also, das Ganze noch mal auf Anfang!«
    Er tönte in der Gegend herum, fühlte sich großartig dabei und war so stolz auf seine Inszenierung, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie der Intendant Heinz Fischer während der Eröffnungsmusik leise in einer der letzten Reihen Platz genommen hatte und dem Spektakel still zuschaute.
    Die Umbauten zu den einzelnen Bildern dauerten viel zu lange und klappten überhaupt nicht. Der Gerichtssaal, der sich in jedem Bild verkleinern sollte, um die Perspektive zu verengen und deutlich zu machen, dass sich die Schlinge um den Angeklagten auch immer enger zusammenzog, verschob sich und verkantete, es sah verheerend aus. Regisseur Weser hatte keine Ahnung, woran es lag, dass das, was er vorhatte, nicht funktionierte, also konnte er nichts weiter tun, als mit der Stoppuhr in der Hand zur Eile anzutreiben und ins Mikro zu brüllen: »Los, los, los, beeilt euch, das dauert ja ewig! Zwei Minuten sind um, jetzt müsstet ihr längst fertig sein! Ja, wo bin ich denn? Bin ich hier etwa in der Provinz, verdammte Scheiße? So kann ich nicht arbeiten!«
    Raffael schuftete in einem Wahnsinnstempo, doch es reichte nicht. Sie waren alle nicht schnell genug.
    Hinter der Bühne und in den Bühnengassen rumpelten Schraubenzieher durch die Gegend, klappten Türen, man hörte Stimmen und irgendwoher ein schabendes Geräusch.
    »Geht’s denn auch ein bisschen leiser?«, schrie Weser ins Mikrofon. »Hier läuft eine Probe, falls die Technik das noch nicht bemerkt haben

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