Bewusstlos
stöhnten.
»Bitte teilt euch untereinander auf, dass ihr keine Doppelbefragungen macht. Alle Ergebnisse sammeln sich dann bitte auf meinem Schreibtisch.«
Er grinste. »Noch Fragen?«
»Ja«, meldete sich Lars. »Was machst du?«
»Ich guck mir eure Ergebnisse an, pople in der Nase und präsentiere euch den Täter. So einfach ist das.«
Die Kollegen nahmen es als Scherz, aber Richard war nicht nach Scherzen zumute.
Der Mörder war ganz anders, als sie alle vermuteten. Das ahnte er, aber er wusste nicht, inwiefern.
18
»Raffael!«
Er hörte das dünne Stimmchen wie durch Watte und brauchte minutenlang, um zu begreifen, dass sie ihn wirklich rief und er nicht träumte.
Gerufen hatte sie ihn noch nie.
Er blinzelte und sah auf die Uhr. Vierzehn Uhr zehn. Richtig, sie rechnete damit, dass er spätestens um halb drei aufbrach, um ins Theater zu gehen. Aber das war ja nun nicht mehr der Fall.
Irgendwann würde er ihr sagen müssen, dass er keinen Job mehr hatte. Irgendwann würde er auch keine Miete mehr zahlen können. Und was dann? Würde sie ihn rausschmeißen?
Er musste irgendwie zu Geld kommen.
Sie hatte ihn dreimal gerufen, dann hatte sie damit aufgehört.
Raffael stand mühsam auf und schlüpfte in Jeans und T-Shirt.
Lilo lag im Bett, als er in ihr Schlafzimmer kam. Ein Fensterflügel war nur angelehnt und schlug im Wind nervtötend immer wieder gegen den Rahmen.
»Was hast du denn?«, fragte er erschrocken. »Bist du krank?«
»Ein bisschen.« Sie lächelte gequält. »Die Hexe hat mich geschossen. Ich kann mich nicht mehr bewegen. Kann auch nicht aufstehen.«
»O Mann! Wie kommt das denn?«
»Keine Ahnung. Vielleicht hab ich Zug bekommen oder ’ne blöde Bewegung gemacht. Kann alles sein.«
»Brauchst du ’nen Arzt?«
»Nein, nein.« Sie winkte ab. »Mit ein bisschen Wärme und Ruhe wird das schon wieder. In zwei Tagen bin ich wieder fit.«
»Wie kann ich dir helfen?«
»Wann musst du denn ins Theater?«
»Gar nicht. Hab frei.«
Ein Strahlen ging über ihr Gesicht. »Oh, wie schön. Ja, wenn du mir was zu essen bringen könntest? Eine heiße Brühe oder einen Toast mit Käse. Und Mineralwasser.«
»Ich bring dir alles.«
Raffael öffnete das klappernde Fenster weit und klemmte zwei Bücher dazwischen, damit es nicht mehr zuschlagen konnte.
Dann ging er in die Küche, kochte eine Brühe, briet zwei Spiegeleier, toastete Brot, legte Wurst und Käse und eine Serviette dazu und stellte alles zusammen mit Mineralwasser und Orangensaft auf ein Tablett, das er anschließend in Lilos Schlafzimmer balancierte.
Lilo war entzückt. Raffael war wirklich ein Engel.
Er zog sich einen Stuhl näher ans Bett und setzte sich zu ihr.
»Wirst du im Sommer während der Theaterferien verreisen?«, fragte sie, während sie die heiße Suppe schlürfte. Raffael versuchte krampfhaft, es zu überhören.
»Vielleicht. Weiß noch nicht. Eventuell fahre ich zu einem Freund nach Südfrankreich. Der hat am Hafen von Gruissan ein Appartement.«
»Oh, wie schön.«
»Vielleicht bleib ich aber auch hier. Ich mag Berlin im Sommer.«
»Wenn das Wetter schön ist, ja. Aber wenn es so ist wie heute, ist es scheußlich.«
Jetzt erst bemerkte Raffael, dass es ein ziemlich trüber, regnerischer Tag war.
»Ach bitte«, sagte Lilo und versuchte sich unter Schmerzen ein wenig mehr aufzurichten, »kannst du die Fenster schließen? Mir ist kühl geworden. Und wenn du die mittlere Schranktür aufmachst, da müsste meine Bettjacke hängen. Die kann ich jetzt gut gebrauchen.«
Raffael ging zum Schrank und öffnete die genannte Tür. Dort hingen Lilos Blusen und Kleider, bunte und einfarbige, viele schwarze, elegante Kleider, aber auch hoffnungslos aus der Mode gekommene und schäbige. Ein wildes Sammelsurium aus Sachen, die er noch nie an ihr gesehen hatte.
Eine Bettjacke war nicht darunter.
»Hier hängt keine Bettjacke.«
»Dann ist sie vom Bügel gerutscht. Das passiert oft. Guck mal auf dem Boden.«
Der Boden des Schrankes war vollgestopft mit Schuhkartons, haufenweise Strumpfhosen, Schlafanzügen, Jogginghosen, einer Stola und undefinierbaren Tüchern in allen Größen.
Raffael wühlte sich durch das Chaos. Lilo belegte ihre Toastbrote und achtete nicht auf ihn.
Aus Versehen stieß er an einen Schuhkarton, der so alt war, dass er nicht mehr richtig schloss, und der Deckel rutschte ab.
Für einen Moment setzte sein Herzschlag aus.
Er traute seinen Augen nicht.
Der Karton war vollgestopft mit Geld. Packen von
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