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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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schmerzfrei, aber sie hatte Angst, dass der Schmerz jederzeit wiederkommen könnte, und allein diese Vorstellung lähmte sie.
    Dann legte sie die Hand auf die Klinke, um ihre Zimmertür zu öffnen und hinauszugehen – aber die Tür war abgeschlossen.
    Einen Augenblick stand sie fassungslos da und zwang sich, ruhig nachzudenken. Raffael hatte sie augenscheinlich eingeschlossen. Aber warum denn? Was sollte das?
    Sie verstand nichts mehr. Gar nichts mehr. Hatte sie irgendetwas verschlafen? Nicht mitbekommen? War etwas passiert, das sie nicht wusste?
    Warum sperrte er sie ein?
    »Raffael!«, schrie sie, so laut sie konnte, aber es klang dünn und erbärmlich. Sie hatte einfach keine Übung mehr darin, laut zu rufen.
    »Raffael!«, brüllte sie erneut und diesmal schon wesentlich lauter, aber da kam keine Reaktion.
    Sie versuchte es noch mehrere Male. Nichts. Er war nicht da.
    Verdammt noch mal, sie musste dringend auf die Toilette! Und je mehr sie daran dachte, umso nötiger wurde es.
    Lilo bewegte sich zurück zum Bett. Im Liegen waren die volle Blase und die Wartezeit, bis er zurückkam, sicher leichter zu ertragen.
    Raffael kam nicht zurück, denn er war gar nicht weg gewesen. Er schlief und hörte zwar, dass jemand seinen Namen rief, aber das baute er in seine Träume ein.
    Er döste noch eine Weile vor sich hin, dann hörten die Träume endgültig auf, er wurde immer wacher und stand schließlich auf. Schleppte sich in die Dusche und kam mithilfe des heißen Wassers langsam zu sich.
    Und wieder hörte er Lilo rufen. Was wollte sie denn schon wieder?
    Verflucht, dachte er, sie nervt, aber ich muss nach ihr sehen, sonst wird die Alte hysterisch.
    Er zog sich an, trank einen Schluck Leitungswasser, ging zu ihrem Zimmer und hörte sie rufen: »Raffael! Was soll das? Lass mich raus!«
    Jetzt erst sah er, dass der Schlüssel von außen steckte. Er erinnerte sich nicht daran, sie eingesperrt zu haben. Aber es konnte natürlich sein, dass er im Suff einfach den Schlüssel im Schloss herumgedreht hatte. Und jetzt spielte sie verrückt.
    »Mach endlich die Tür auf!«, schrie sie.
    Er öffnete die Tür.
    Lilo saß im Bett. Aufrecht. Ihre Augen sprühten vor Zorn, es schien ihr besser zu gehen.
    »Hi!«, sagte Raffael und grinste. »Wie geht’s dir?«
    »Ich werd dir was, von wegen Hi «, fauchte Lilo. »Was denkst du dir eigentlich dabei, mich hier einzusperren? Bist du nicht ganz bei Trost? Willst du mich umbringen? Ich habe Hunger, ich habe Durst, ich muss aufs Klo, aber du lässt mich hier stunden- oder tagelang liegen!«
    »Siehst du, du weißt noch nicht mal mehr, ob du hier stunden- oder tagelang gelegen hast, Lilo. Meine Liebe, du hast sie nicht mehr alle, du bist verwirrt, man muss dich vor dir selbst schützen, damit du nicht noch aus dem Fenster springst oder die Bude in Brand steckst!«
    Lilo schwieg erschrocken.
    »Du bist quasi über Nacht pflegebedürftig geworden, Lilo. Du bist am Ende. Du machst es nicht mehr lange. Aber keine Sorge – ich bin ja da, ich geb dich nicht ins Heim, ich werde mich um dich kümmern.«
    »Es geht mir gut! Sehr gut sogar! Ich werde aufstehen und all das tun, was ich auch vorher getan habe, und du wirst mich nicht daran hindern.«
    Raffael lächelte milde. »Bitte schön. Aber schrei nicht nach mir, wenn du hinschlägst, dir das kochende Wasser über die Beine gießt, in der Badewanne ausrutschst oder die Treppe runterfällst. Ich habe dich gewarnt!«
    Damit verließ er das Zimmer.
    Er wusste, dass er Lilo völlig aus der Fassung gebracht und verunsichert hatte. Sie brauchte ihn mehr denn je. Er musste nur Geduld haben.
    Und richtig. Mit kläglicher Stimme rief sie hinter ihm her.
    »Bitte, Raffael, geh nicht! Was auch geschehen ist – es tut mir leid. Ich weiß, du meinst es gut. Bitte, sei mir nicht böse!«
    Aber Raffael tat so, als habe er sie nicht gehört, und verschwand in seinem Zimmer.
    Lilo schleppte sich ins Bad und erleichterte sich endlich auf der Toilette. Dann putzte sie sich die Zähne und duschte, indem sie sich vorsichtig auf den Plastikhocker setzte, der in der Duschwanne stand. Sie hatte ihn schon lange nicht mehr gebraucht, aber heute fühlte sie sich schwach und hatte Angst, im Stehen auszurutschen.
    Anschließend zog sie sich nur ihren Morgenmantel an. Heute würde sie sicher nicht das Haus verlassen.
    Dann ging sie in die Küche, kochte Kaffee und toastete sich Brot. Und dabei wurde ihr bewusst, dass sie fast vierundzwanzig Stunden nicht das Geringste

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