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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Briefträger hatte einfach nur ins Haus kommen wollen. Jetzt, wo das Schloss der Haustür wieder repariert war, musste er halt klingeln.
    Raffael ging in die Küche und sah in den Kühlschrank. Bier war alle.
    Er nahm seine Schlüssel und rannte die Treppe hinunter. Zur Tankstelle, um sich ein Sixpack zu holen.
    Als er mit dem Bier zurückkam, öffnete er schon ganz automatisch den Hausbriefkasten. Darin lag eine rote Karte mit dem Hinweis, dass ein Paket nicht zugestellt werden konnte, weil niemand zu Hause angetroffen worden war. Man solle das Paket im Postamt ab morgen zwischen neun und achtzehn Uhr abholen.
    Raffael schäumte.
    »Jetzt passen Sie mal gut auf, und hören Sie mir gut zu.« Raffael knallte dem Beamten den roten Schein mit der flachen Hand auf den Tresen. »Diese Schlamperei hier wird eine andere, das schwöre ich Ihnen. Der Kollege Paketzusteller ist eine verdammt faule Sau, denn ständig habe ich diese verfluchten roten Karten in meinem Briefkasten.«
    »Mäßigen Sie sich«, bemerkte der Beamte am Schalter müde.
    »Ich erzähl dir gleich was von wegen mäßigen . Ich wohne zusammen mit meiner Oma in der Dahlmannstraße 24. Meine Oma ist bettlägerig, pflegebedürftig und dem Tod so nahe, dass sie schon die Englein singen hört. Ich pflege sie Tag und Nacht. Lass mir das Futter liefern, weil ich sie noch nicht mal ’ne Stunde allein lassen kann, um einkaufen zu gehen. Klar? So ein Leben is’ die Hölle, sag ich dir, aber egal. Ich mach das, weil meine Oma das Einzige und das Wichtigste ist, was ich auf der Welt habe. Und weil sie’s verdient hat. Kapierst du das?«
    »Kommen Sie zur Sache.«
    »Hör mir zu, oder ich verwandle deine Nase in Geschnetzeltes. Was ich sagen wollte ist: Ich bin immer zu Hause. Klar? Immer! Rund um die Uhr. Seit Wochen. Und dann krieg ich hier so eine verfickte Karte, auf der steht, dass niemand zu Hause angetroffen worden ist! Ja, geht’s noch? Und das ist nicht das erste Mal passiert! Was ist dieser Paketbote eigentlich für ’ne faule Sau?« Jetzt begann Raffael lauter zu werden. »Wenn ich als Paketbote zu schwach bin, um ein Paket ein paar Treppen raufzutragen, dann hab ich ja wohl den falschen Job, oder? Und wenn der Mann krank ist, dann soll er sich krankschreiben oder pensionieren lassen. Aber verarschen lass ich mich nicht. Wofür kriegt der faule Sack sein Geld? Können Sie mir das mal verraten?«
    »Ich versteh das wirklich nicht«, stotterte der Beamte, »derartige Klagen hatten wir noch nie. Eigentlich ist der für Sie zuständige Kollege unser zuverlässigster Zusteller.«
    »Natürlich!« Raffael lachte schrill. »Aber selbstverständlich. Ihr habt hier in diesem Scheißladen nur zuverlässige Zusteller! Anstatt solche Typen achtkantig rauszuschmeißen, nehmt ihr diese Arbeitsverweigerer auch noch in Schutz. Und genau das ist es, was mich so ankotzt.«
    »Reichen Sie eine schriftliche Beschwerde ein.«
    »Den Teufel werd ich tun, Bürschchen.« Raffael beugte sich gefährlich weit vor. »Ich sitze nicht zwei Stunden am Computer und schreibe einen Brief, damit ihr euch hinterher den Arsch damit abputzt. Nee, mein Freund, dazu ist mir meine Zeit zu schade. Im Gegenteil, wir machen es ganz anders. Morgen früh kommt dieser zuverlässige Zusteller und bringt meiner Oma das Paket. Ist das klar? Ich warte auf ihn!«
    Ohne ein weiteres Wort marschierte Raffael hinaus.
    Am nächsten Vormittag um halb elf klingelte es.
    Raffael riss das Fenster auf. Ein DHL-Laster stand vor der Tür.
    Er drückte auf den Türöffner und rannte noch auf Socken ins Treppenhaus.
    »DHL-Zustelldienst!«, rief eine dünne Stimme. »Paket steht hier unten.«
    Das durfte ja wirklich nicht wahr sein!
    Raffael raste die Treppen hinunter.
    Im Hausflur, direkt unter den Briefkästen, stand das Paket. Adressiert an Lilo Berthold, Absender irgendein Versandhaus. Er hob es kurz an. Es war schwer.
    Alles klar. Selbst nach der Beschwerde hatte der Postbote keine Lust gehabt, das Ding vier Treppen hochzutragen.
    Raffael rannte nach draußen. Vielleicht konnte er den Mistkerl noch erwischen.
    Direkt vor dem Haus stand der DHL-Laster, davor ein relativ schmächtiger, kleiner Mann mit Halbglatze und Schnauzbart, dem man sowieso nicht zutraute, auch nur sechs Briefe in den vierten Stock tragen zu können, und ordnete die Pakete.
    Raffael ging auf ihn zu und packte ihn am Kragen.
    »Pass mal gut auf, du dämlicher Postzwerg«, blökte er ihn an, »du hast da bei uns im Hausflur was vergessen.« Er

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