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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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deutete mit dem Finger auf das Haus. »Da steht so ein albernes Paket, das dir wohl aus deinen gichtigen Fingern gerutscht ist. Kann ja sein, interessiert mich nicht, jedenfalls ist das ein Paket für Lilo Berthold. Meine Oma. Pech für dich, dass sie im vierten Stock wohnt, aber da wirst du wohl ein bisschen klettern müssen, Spargeltarzan.«
    »Halten Sie den Mund«, sagte der Postbeamte und zerrte irgendwelche Leinen fest, »ich habe zu tun.«
    »Jetzt hör mir mal gut zu, du fauler Mistkäfer. Meine Oma liegt da oben im Bett. Sie ist krank, sie kann das Paket nicht hochschleppen, und es ist verdammt noch mal dein Job, es ihr zu bringen. Brav bis in die Wohnung. Ich bin hier zufällig zu Besuch und bekomme mit, dass du deine Arbeit nicht machst, du fauler Sack. Also los, setz deinen Arsch in Bewegung und bring meiner Oma das Paket, oder ich schlag dich windelweich.«
    »Ich lass mir nicht drohen«, sagte der Postzwerg ohne große Überzeugungskraft und wollte ins Führerhäuschen steigen um loszufahren, aber Raffael gab ihm einen gehörigen Stoß, sodass er in den Laderaum fiel und zwischen seinen sauber gestapelten Paketen landete.
    Raffael knallte die Tür des Lasters zu und lief zurück ins Haus.
    Im Flur schob er das Paket in eine Ecke und ging in Lilos Zimmer.
    »Du hast gestern Schwein gehabt, dass der blöde Postbote geklingelt hat und du die beiden Brote essen konntest. Ab sofort werde ich jetzt jeden Tag einmal kommen und fragen, ob du bereit bist, die Vollmacht zu unterschreiben. Wenn nicht, gibt’s auch nichts mehr zu futtern. So einfach ist das.«
    »Du hast doch schon mein ganzes Erspartes gestohlen. Was willst du denn noch?«
    »Was hab ich?«
    »Du hast den Schuhkarton mit meinem ganzen Geld. Mehr hab ich nicht.«
    »Was hab ich?« Er beugte sich vor und sah ihr aus einem halben Meter Entfernung in die Augen.
    »Den Schuhkarton.«
    »Ich weiß nichts von einem Schuhkarton. Und von Geld schon gar nicht. Lilo, du vergisst nicht nur alles, jetzt fängst du auch noch an zu spinnen. Du hast Halluzinationen, du fantasierst.«
    »Nein!«, schluchzte Lilo. »Du hast mir alles gestohlen, und jetzt willst du mich auch noch umbringen.«
    »Mit Kranken kann man nicht diskutieren«, sagte Raffael leise und ruhig. »Überleg dir, wann du die Vollmacht unterschreibst und wann du wieder was zu essen haben willst. Ruf mich, wenn du zur Besinnung gekommen bist.«
    Raffael verließ ohne ein weiteres Wort das Zimmer, knallte die Tür zu und schloss ab.
    Minuten später knipste er die Sicherung aus und verließ das Haus.
    Zwei Tage später unterschrieb Lilo die Vollmacht. Im Liegen und mit krakliger Handschrift.
    »Na siehst du, geht doch«, meinte Raffael zufrieden und schob sich das Papier in die Hosentasche. »Jetzt brauche ich noch deinen Personalausweis. Wo ist der?«
    »In meiner Handtasche. In der Kommode im Flur.«
    »Sehr brav. Ich hol dir jetzt was zu essen. Das hättest du auch früher haben können, meine Gutste.«
    Im Zimmer stank es bestialisch. Lilo war so schwach, dass sie es in den letzten Tagen nicht mehr geschafft hatte, die Vase zu erreichen. Ihr Bett und ihre Kleidung waren vollkommen verschmutzt, sie lag in ihrem eigenen Dreck und vegetierte nur noch vor sich hin.
    Raffael brachte die obligatorischen belegten Brote und eine Kanne Wasser, schob das Tablett aufs Bett und sagte: »Amüsier dich. Ich hau noch mal ab.«

28
    »Ich bin so allein«, flüsterte eine Stimme. »Ich halte das nicht mehr aus.«
    Lilo baute die Worte in ihre Träume ein. Sie sah sich an Wilhelms Bett, der wimmerte und schluchzte und hin und wieder schmatzende Geräusche machte.
    »Bitte, Lilo, hilf mir. Bleib bei mir! Geh nicht weg!«
    »Ja, ja«, murmelte Lilo im Traum, »keine Angst, ich bin bereits auf dem Weg zu dir.«
    »Ich hab doch nur noch dich, Lilo.«
    Allmählich dämmerte ihr, dass sie gar nicht träumte, sondern dass da wirklich jemand zu ihr sprach. Und nicht Wilhelm schmatzte, sondern sie selbst.
    Raffael saß an ihrem stinkenden Bett, was ihn aber nicht zu stören schien.
    Sie wunderte sich wie schon so oft, dass sie noch lebte, und Stück für Stück kehrte ihr Bewusstsein zumindest so weit zurück, dass sie ihn verstand, wenn auch wie durch Watte.
    »Wasser«, stöhnte sie.
    Er stand ohne Widerspruch auf und holte ihr welches.
    Während er ihren Kopf hielt, trank sie langsam, in kleinen Schlucken.
    Ihr wurde plötzlich übel, und sie hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Aber sie spuckte nur und

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