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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Deutschland.
    »Bitte, schnell, kommen Sie schnell!«, wollte er ins Telefon schreien, aber er brachte nur ein klägliches Jammern heraus, solch eine Angst hatte er. »Wohnung brennt, Haus brennt, alles geht kaputt! Schnell, schnell, bitte, bitte, bitte!«
    »Sagen Sie mir die Adresse«, bat eine ruhige Stimme am anderen Ende der Leitung.
    »Oh, oh, oh, oh …« Rhagavs Kopf war wie leergefegt, er wusste nichts mehr, noch nicht einmal mehr die Adresse des Hauses, in dem er seit fünfzehn Jahren wohnte.
    Seine Frau nahm ihm wortlos den Hörer aus der Hand. Sie war wesentlich gefasster als ihr Mann. »Dahlmannstraße 24«, sagte Aruna. »Wir wohnen im Vorderhaus. Parterre. Bitte, helfen Sie.«
    »Wie viele Parteien wohnen im Haus?«
    »Nur wir und im vierten Stock eine alte Frau mit ihrem Enkel. Sonst niemand. Da oben schlagen Flammen aus dem Fenster.«
    »Gut. Wagen ist unterwegs«, sagte der Mitarbeiter in der Telefonzentrale der Berliner Feuerwehr, und Aruna legte auf.
    Sieben Minuten später war die Feuerwehr mit einem großen Löschzug da. Feuerwehrleute stürmten das Gebäude, das Treppenhaus war noch nicht verqualmt, sie rannten die Treppe hoch, hämmerten gegen die Tür, brüllten: »Feuerwehr! Gefahr im Verzug, machen Sie auf!«
    Da niemand öffnete, zögerten sie nicht lange und brachen die Tür auf.
    Qualm schlug ihnen entgegen.
    Eine Leiter war bereits hochgefahren worden, und auch von außen durch die Fenster wurde gelöscht.
    Nach einer halben Stunde hatten sie den Brand unter Kontrolle.
    Mittlerweile war auch die Polizei eingetroffen.
    Als das Feuer endgültig gelöscht war, durchsuchten Feuerwehr und Polizei die Wohnung. Nur ein Zimmer war ausgebrannt, ein weiteres abgeschlossen. Niemand öffnete. Auch diese Tür brachen sie auf und fanden eine alte Frau tot im Bett.
    »Ich werd nicht mehr«, sagte ein Polizist. »Das Fenster ist zugenagelt. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass die alte Frau das allein gemacht hat, weil ihr die Sonne zu grell war.«
    Sein Kollege sah sich das Fenster genauer an. »Zumal es Gardinen gibt. Aber die hängen hinter der Platte, damit von draußen jeder denkt, es sei lediglich zugezogen. Das ist ja wirklich übel.«
    »Außerdem ist alles durchwühlt. Wir rufen die Kripo.«
    Eine halbe Stunde später trafen die Kommissare Richard Maurer und Lars Noethe zusammen mit dem Pathologen Dr. Paulmann und der Spurensicherung ein.
    Maurer und Noethe sahen sich aufmerksam im Zimmer um.
    »Das schafft eine alte Frau nicht allein, diese schwere Platte vors Fenster zu nageln. Das kostet richtig Kraft.«
    »Du sagst es.« Richard grinste spöttisch. »Und vor allem schafft es eine alte Frau nicht, sich allein von außen einzuschließen und danach fünf Zimmer weiter ein Feuer zu legen.«
    »War es Brandstiftung?«
    »Die Feuerwehr vermutet es. Aber bewiesen ist es noch nicht.«
    »Aber warum hat dann der Brandstifter nicht das Zimmer mit der Toten in Brand gesteckt, sondern eins am andern Ende des Flurs?«
    Dr. Paulmann schlug Lilos Bettdecke zurück, entkleidete die Leiche und zuckte zusammen. Er hatte nicht erwartet, dass sie so dünn und ausgemergelt war.
    Die Leichenstarre hatte sich bereits im gesamten Körper ausgebreitet. Er drehte die Tote auf die Seite, die Totenflecken auf dem Rücken waren deutlich ausgeprägt. Dr. Paulmann öffnete seinen Tatortkoffer und holte ein Reizstromgerät heraus, dessen Nadelelektroden er an den Lidern der Toten befestigte. Dann setzte er den Strom in Gang. Die Gesichtsmuskeln reagierten.
    Anschließend maß er rektal mit einem elektronischen Thermometer die Körpertemperatur der Leiche und die Raumtemperatur an verschiedenen Stellen und unterschiedlichen Höhen des Zimmers. Danach gab er sämtliche Werte in seinen Laptop ein.
    »Und?«, fragte Richard.
    »Sie ist seit circa sechs Stunden tot. Plus minus eine Stunde. Ansonsten kann ich auf den ersten Blick keine Spuren von Gewalt entdecken. Atemwege und Körperöffnungen sind frei, es gibt keine offenen Wunden, keine Würgemerkmale, keine punktuellen Einblutungen, die auf Ersticken hindeuten würden, keine sofort ersichtlichen Kampfspuren. Aber sie ist extrem dünn und schwer dehydriert. Das könnte zum Tod geführt haben. Genaueres weiß ich aber erst nach der Obduktion im Institut.«
    »Sie war eingesperrt. Wer weiß, wie lange.«
    »Eine ganz fiese Art von Mord, wenn man sie hier in diesem Bett verhungern lässt«, bemerkte Dr. Paulmann müde und packte seine Sachen zusammen. »Ich bin hier jetzt

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