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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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frei«, meinte der Libanese und verschränkte die Arme. »Willst du was trinken?«
    »Ein Bier.«
    Raffael ging zu Computer Nummer vier und setzte sich. Es war ein uraltes Gerät, das ihn eigentlich nur ankotzte. Eine speckige Tastatur mit Dreckrändern auf jedem Buchstaben, ein dickbauchiger Bildschirm wie vor hundert Jahren. Raffael wunderte sich, dass der schmierige, versiffte Kasten überhaupt noch lief.
    Als das Bier vor ihm stand und er die Hälfte davon getrunken hatte, begann er mit seiner Suche und gab bei Google Karl Herbrecht Technische Universität Hamburg-Harburg ein.
    Eine halbe Stunde klickte er sich durch das weitverzweigte Unisystem, die verschiedenen Fakultäten, die Professoren bis hin zu den studentischen Mitarbeitern, er scrollte sämtliche Namenslisten durch, die sich öffneten – aber vergebens. Sein Vater war nicht dabei.
    Vielleicht hat er die Uni gewechselt, überlegte er, es war natürlich möglich, dass er jetzt in Berlin oder München oder Gott weiß wo saß. Er stöhnte auf. Niemals konnte er sämtliche deutschen Universitäten durchsuchen, das würde ja Stunden oder Tage dauern.
    Also startete er eine neue Suchanfrage und gab lediglich den Namen Karl Herbrecht ein. Ungefähr zwölf Einträge für einen Rechtsanwalt aus Aschaffenburg, drei für einen Heilpraktiker aus Nürnberg, zwei für ein kleines Hotel im Schwarzwald, in dem der Koch Karl Herbrecht hieß, und dann ein Castelletto in der Toskana, das Appartements und Weine anbot. In der Google-Ankündigung las er noch den unvollständigen Satz: Gemeinsam mit seiner Frau Christine …
    Das waren sie. Das mussten sie sein.
    Er rief die Homepage auf und las sämtliche Seiten hinter den Links: Bildergalerie, Umgebung, Appartements, Events, Weinbau, Preise, Kontakt.
    Lange hatte er auf ein Foto gestarrt. Seine Eltern lachten Arm in Arm mit zwei anderen Personen, wahrscheinlich Gästen, in die Kamera. Sie sahen beide etwas älter aus, sicher, aber seine Mutter hatte abgenommen und wirkte schlank und sportlich, und sein Vater hatte nichts von seinem jungenhaften Charme verloren.
    Er war also kein Uniprof und seine Mutter keine Lehrerin mehr. Die beiden lebten doch wahrhaftig in der Toskana und hatten sich da ein Castelletto, eigentlich ein Schloss, gekauft. Hatten sie im Lotto gewonnen, oder in welchen Geldtopf waren sie gefallen?
    Raffael kam die Galle hoch. Die beiden lebten in absolutem Luxus, ließen sich die warme italienische Sonne auf den Pelz brennen, wohnten in einer Protzburg und ertranken im Rotwein. Und er hangelte sich von Hilfsarbeiterjob zu Hilfsarbeiterjob, musste sich, seit er sechzehn war, allein durchs Leben schlagen und hatte von ihnen noch nie auch nur einen Pfennig bekommen.
    Das würde anders werden, das schwor er sich.
    Und in diesem Moment war klar, wohin er fahren würde.
    »Ich fasse es nicht!«, sagte Richard Maurer drei Tage später im Büro und raufte sich die Haare. »Das kann doch alles nicht wahr sein! Haben wir in ein Wespennest gestochen? Oder im Lotto gewonnen?«
    »Noch nicht ganz«, dämpfte Lars.
    Am frühen Vormittag waren die Ergebnisse der DNA -Untersuchungen gekommen. In Küche und Bad der Toten waren nur zwei unterschiedliche DNA s gefunden worden. Die von Lilo Berthold und die eines Fremden, der allerdings so fremd gar nicht war. Seine DNA war identisch mit der, die man unter den Fingernägeln der ermordeten Gerlinde Gruber und beim Vergewaltigungsopfer Natascha Baumann sichergestellt hatte. Der Mörder von Gerlinde Gruber hatte also bei der toten Lilo Berthold gewohnt. Die Kleidungsstücke, die man im Ofen gefunden hatte, stammten eindeutig von dem Fremden, das Blut daran zweifelsfrei von der erstochenen Zeitungsfrau.
    Nun lag die Vermutung nahe, dass er auch seine Großmutter, Lilo Berthold, ermordet hatte.
    »Weißt du«, sagte Richard zu Lars, »das Ganze macht mich so sauer, das kann ich dir gar nicht beschreiben. In zwei Mordfällen und einer Vergewaltigung haben wir die DNA des Täters. Aber wir können nichts damit anfangen, weil wir nicht wissen, wem sie gehört. Das ist zum Verrücktwerden. Warum nimmt man nicht einfach bei jedem neugeborenen Baby die DNA , die kommt in eine zentrale Datei, und in Zukunft sind alle Täter sofort zu identifizieren? Es gibt keine ungeklärten Fälle mehr. Warum ist denn das – verflucht noch mal – nicht möglich?«
    »Datenschutz. Aber das weißt du doch.«
    »Natürlich weiß ich’s, aber ich kann mich doch trotzdem aufregen.«
    »Gut. Dann reg dich

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