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Bewusstlos

Bewusstlos

Titel: Bewusstlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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fertig. Kommen Sie um fünfzehn Uhr, dann beginnt die Obduktion.«
    Richard nickte. Die Anwesenheit bei Obduktionen war das, was er an seinem Beruf am wenigsten schätzte, aber er sah ein, dass es wichtig war. Wenn er beim Sezieren der Leiche dabei war, sah er mehr, als wenn er nur den Bericht des Pathologen las. Schon manches Mal war er erst zusammen mit dem Gerichtsmediziner beim Betrachten eines Einschusses oder eines Schnittes dahintergekommen, wie der Täter gehandelt haben musste. Und erst nach der Obduktion wusste er, was das Opfer wirklich durchgemacht hatte. Manchmal erzählte die Leiche im Gerichtsmedizinischen Institut mehr als der Tatort.
    Lars Noethe nahm Richard beiseite. »Ich habe mich kurz mit Hari Rhagav, dem Inder im Parterre, unterhalten. Die alte Frau hieß Lilo Berthold und lebte in dieser Wohnung mit ihrem Enkel zusammen.«
    »Wie heißt der?«
    »Das wussten sie nicht.«
    »Wir werden mal ins Melderegister schauen. Und wenn er hier wohnt und ein reines Gewissen hat, wird er ja irgendwann wiederkommen.«
    »’tschuldigung«, meldete sich ein Beamter der Spurensiche rung, »aber schauen Sie mal hier. Die alte Dame hat diese riesige Vase als Klo benutzt. Und zwar schon seit langer Zeit. Sie ist ziemlich voll. Darum stinkt es hier auch so erbärmlich.«
    »Und erst, als sie es nicht mehr geschafft hat aufzustehen, hat sie das Bett beschmutzt«, murmelte Lars. »Ich glaub, mir wird schlecht.«
    Spezialisten durchsuchten das ausgebrannte Zimmer nach Brandbeschleunigern oder anderen Spuren, die auf Brandstiftung hindeuten konnten.
    Richard und Lars kamen gerade aus Lilos Zimmer, als ihnen einer der Beamten winkte.
    »Kommen Sie doch bitte mal!«
    Als sie den verkohlten Raum betraten, kniete der Beamte vor einem kleinen Kanonenofen.
    »Sehen Sie sich das an. Der Ofen ist vollgestopft mit blutigen Sachen. Hose, Jacke, T-Shirt. Nach der Menge des Blutes zu urteilen, hat sich hier nicht jemand in den Finger geschnitten, sondern ein Schlachtfest veranstaltet.«
    »Die alte Frau ist unverletzt«, warf Richard ein.
    »Ja, aber wer weiß, wie lange die Sachen schon im Ofen sind.«
    »Das werden wir herausfinden. Und auch, ob das Blut von der Toten ist, was ich eigentlich nicht glaube. Aber langsam wird mir die Sache unheimlich. Die Spurensicherung soll die gesamte Wohnung auf den Kopf stellen. Zum Glück hat uns das Feuer noch ein bisschen übrig gelassen.«

30
    Raffael hatte gerade einen Döner gegessen und schlenderte durch die Kantstraße zu seinem Internetcafé. Er hatte es nicht eilig. Es konnte nichts passieren, er hatte einen Vorsprung von mindestens drei Tagen.
    Natürlich würden sie die Leiche ziemlich bald entdecken. Weil die Wohnung wahrscheinlich lichterloh brannte. Und dann fanden sie eine alte Frau tot oder sogar schon verkohlt in ihrem Bett. Daran war nichts ungewöhnlich. Alte Leute lebten nun mal nicht ewig.
    Aber heutzutage waren sie ja so wahnsinnig und fanden heraus, dass die Fliege an der Wand vor vier Wochen Marmelade gefressen und seitdem unter Verstopfung gelitten hatte, und vielleicht fanden sie ja seine DNA . Ja, es war sogar ziemlich wahrscheinlich, dass sie seine DNA fanden, denn die war in der Wohnung schließlich überall. Aber warum auch nicht? Das kratzte ihn überhaupt nicht. Sie wussten ja nicht, wer er war. Sie konnten ihn nicht suchen, nicht nach ihm fahnden.
    Und somit hatte er alle Zeit der Welt, in Ruhe zu planen, was er tun wollte.
    Aber dann fiel ihm der Ofen mit den blutigen Kleidungsstücken ein, und einen Moment durchzuckte ihn der Schreck. Doch nach wenigen Sekunden hatte er sich wieder beruhigt. Ja und? Auch damit konnten sie nichts anfangen. Wer wusste schon, wessen Blut dort auf den Sachen war. Und selbst wenn sie es rausbekamen und irgendeine Tat mit ihm in Verbindung brachten – noch war er der große Unbekannte, und der würde er auch bleiben. Da mussten sie schon die DNA der gesamten Weltbevölkerung einholen, um ihn zu finden.
    Denn er würde Berlin verlassen. Heute noch. Er wusste nur noch nicht, wohin.
    Er war richtig gut gelaunt. Das Leben konnte so einfach sein, wenn man nicht von irgendjemandem gegängelt, getriezt oder bevormundet wurde! Schade um Lilo, aber sie war manchmal auch ziemlich anstrengend gewesen.
    Zehn Minuten später erreichte Raffael das Internetcafé, in dem er schon etliche Male gewesen war.
    »Hey!«, begrüßte er den Libanesen an der Kasse.
    »Hallo. Auch mal wieder im Lande? Wie geht’s?«
    »Geht so.«
    »Nummer vier ist

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