Bezaubernde Spionin
Kräfte schonen sollte, denn sie erwartete doch etwas Besonderes in ihrer Hochzeitsnacht. Er hatte ebenfalls lachend erwidert, dass sie sich deshalb keine Sorgen machen sollte, denn er hätte sich auch etwas Besonderes für diese einzigartige Nacht überlegt. Dann hatte er sie unter gesenkten Lidern angesehen, sie geküsst und an ihren Lippen murmelnd gefragt, ob er ihr einen Vorgeschmack darauf geben solle.
Er hatte ihre Antwort nicht abgewartet, sondern es ihr bewiesen, und schon sein Kuss hatte ihr den Atem geraubt und sie aufs Neue erregt, voller Liebe und Leidenschaft und in Erwartung dessen, was da kommen sollte. Und was da kam. Er brachte sie mit seinen Liebkosungen an den Rand des Wahnsinns. Immer und immer wieder, und Aylinn hatte heute Morgen das Bett kaum verlassen können, so weich und ermattet fühlte sie sich.
Dasselbe Bett, dachte Aylinn sich jetzt, auf dem vor einer Ewigkeit, wie es ihr schien, diese englische Schlange sich gerekelt hatte und beinahe erfolgreich die Liebe zwischen Rupert und ihr, Aylinn, zerstört hätte.
Nun, es war ihr nicht gelungen, aber trotzdem …
Aylinn stand auf und musterte sich im Spiegel. Sie sah einfach atemberaubend aus. Die Robe aus elfenbeinfarbener, mit Brokat- und Spitzenaufsätzen geschmückter Seide umfloss ihren Körper wie ein Schleier aus süßer Milch und brachte ihr rötlich leuchtendes Haar und ihre trotz ihrer Haarfarbe leicht gebräunte Haut perfekt zur Geltung. Ihre Lippen, die noch vom Liebesspiel der letzten Nacht etwas geschwollen waren, schimmerten rosa, und sie hatte auf rote Schminke verzichtet. Und erst ihre Augen …! Sie lächelte, als sie in den Spiegel blickte. Sie leuchteten wie Smaragde, und Aylinn wusste, dass sie das immer tun würden, wenn sie an Rupert und seine Liebe zu ihr dachte. Dann runzelte sie kurz die Stirn und verzog den Mund.
»Jedenfalls muss ich mir diesmal keine Sorgen darüber machen, dass Lady Georgina Harrington die Aufmerksamkeit der Männer auf sich zieht«, sagte sie selbstbewusst. Der Gedanke an die englische Gesandte bereitete ihr nach wie vor einen Anflug von Unbehagen, aber nicht, weil sie sich um Ruperts Liebe oder seine Treue Sorgen machte, sondern weil sie die Hinterlist und Ränke der Frau kannte. Georgina Harrington war keine Frau, die eine Niederlage einfach so hinnahm. Sie hatte Rupert begehrt, das wusste Aylinn, aber sie hatte ihn nicht bekommen. Wer konnte schon wissen, welche Rachepläne sie deshalb in ihrem hinterhältigen Verstand schmiedete. Aylinn traute ihr sogar zu, zu gewalttätigen Mitteln zu greifen, um zu verhindern, dass Aylinn mit Rupert glücklich wurde, wenn sie, Georgina, ihn schon nicht bekam. Und zweifellos würde sie dafür die Billigung des englischen Regenten John Herzog von Bedford bekommen.
»Oh, Mylady, da braucht Ihr Euch überhaupt keine Sorgen zu machen«, erwiderte Nanette mit einem zufriedenen Lächeln. »Wie ich gehört habe, wurde Lady Harrington von Herzog John Bedford abberufen. Sie ist bereits auf dem Weg nach London.« Sie lachte. »Angeblich hat der Herzog vor, sie nach Frankreich zu schicken. Als Strafe für ihr Versagen, sozusagen.« Sie lachte. »Na, ob das wirklich eine Strafe für sie ist, wage ich zu bezweifeln. Die französischen Männer werden ihr den Hof machen, und sie wird sich gewiss dort schadlos halten. Was sie ja muss, wie ich ebenfalls hörte.« Nanette kicherte. »John von Bedfords Lust auf seine Gespielin scheint ein wenig abgekühlt zu sein, und Richard von York ist wohl seit einer Weile mehr als Wallach denn als Hengst unterwegs, wie ich höre.«
Aylinn fragte nicht nach, woher Nanette diese Informationen hatte, und das war ihr auch, ehrlich gesagt, eher gleichgültig. Aber es befriedigte sie, dass Georgina Harrington nicht mehr am Hofe weilte und dass Richard von York für eine Weile im Boudoir außer Gefecht gesetzt war. Sie lächelte zufrieden, als sie sich erinnerte, wie der Cousin des Königs auf dem Boden gelegen und sich wimmernd die Weichteile gehalten hatte. Und der Tritt, den Rudloff Kersham ihm anschließend versetzt hatte, dürfte seiner Liebes- und Zeugungsfähigkeit für eine lange Zeit wenn nicht gar für immer ein Ende bereitet haben.
Obwohl sie all das nur noch schwach erinnerte, denn sie hatte nach dem brutalen Schlag, mit dem York sie hatte zu Boden zwingen wollen, kaum etwas mitbekommen, bis sie das Schiff bestiegen hatten, das sie nach Schottland brachte. Das Schiff, das ihnen William Douglas zur Verfügung gestellt
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