Bezaubernde Spionin
bedeutenden Titel in eine Ehe ein, einen Titel, der Eurem zukünftigen Gemahl sehr viel Macht verleiht. Und zwar hier, in Schottland. Zweifellos ist sich der Herzog dieser Tatsache ebenfalls bewusst. Wir gehen davon aus, dass er nichts unversucht lassen wird, sich dieses Titels zu bemächtigen. Möglicherweise auch, indem er versucht, Euch zu einer Ehe zu überreden oder in eine zu locken.« Sie hielt kurz inne und musterte Aylinn scharf. »Oder Euch gar zu einer zu zwingen.«
»Aber Majestät!«, entfuhr es Juliet unwillkürlich.
»Majestät«, antwortete Aylinn so würdevoll, wie sie konnte. »Ich wüsste nicht, wie der Herzog etwas bewerkstelligen sollte, was selbst meinem Vater nicht gelungen ist.«
Die Königin betrachtete Aylinn einen Moment schweigend und nickte dann. »Ich denke, Mylady«, sie beugte sich vor, als sie den Pluralis Majestatis aufgab, »dass auch das stolzeste Herz, das gegen Gewalt oder Verschlagenheit gefeit zu sein scheint, durch eine Kränkung oder Verletzung so stark geschwächt ist, dass es oft nur eines leichten Anstoßes bedarf, um es gänzlich zu besiegen.« Joan Beaufort lehnte sich zurück. »Und ich würde es mir niemals verzeihen, Aylinn von Albany, wenn ich Euch, um einen Schmerz von Euch zu nehmen, nach England schickte, um Euch dort ein weit größeres Leid aufzubürden. Denn ganz gleich, was Ihr hier durchgemacht habt und wie sehr Euer Herz gelitten hat und Ihr verletzt worden seid«, die Königin hob den Kopf und verengte die Augen, »solltet Ihr John von Bedfords Ränken erliegen, wird der Schmerz, den Ihr hier durch die Art und Weise, wie Euer Vater ums Leben gekommen ist, ertragen musstet, nichts im Vergleich zu dem sein, der Euch dort bevorsteht.«
Das Blut rauschte in Aylinns Ohren, als sie die Worte der Königin vernahm. Spielte die Königin wirklich nur auf den Tod ihres Vaters an? Sie hätte das gern geglaubt, aber jedes der Worte Joan Beauforts traf auch auf den weit größeren Schmerz zu, unter dem sie seit jenem schicksalhaften Tag litt, diesen schrecklichen Schmerz, nicht nur den Vater, sondern auch den Geliebten verloren zu haben.
Aylinn riss sich zusammen und hob den Kopf. »Ich danke Euch für Eure Umsicht und Sorge, Majestät«, antwortete sie. »Aber seid versichert, ich hege keinerlei Zweifel daran, dass es richtig ist, nach England zu gehen. Und genauso wenig glaube ich, dass ich Opfer irgendwelcher Heiratspläne meines Verwandten, des Herzogs von Bedford, werden könnte. In meinem Herzen, Majestät, ist kein Platz für etwas oder jemand anderen als Schottland.« Aylinn zwang sich zu einem Lächeln, als sie diese Worte aussprach, Worte, die sie sich seit ihrem Treffen mit Juliet zurechtgelegt hatte, die sie sich immer wieder einredete, so lange, bis sie selbst daran glaubte. Ihre Freundin hatte Aylinn immer wieder versichert, dass es ihr letztlich gelingen würde, Joan Beaufort von ihrer Entschlossenheit, nach England zu gehen, um Schottland zu dienen, zu überzeugen. Und das musste sie auch, denn, und das konnte Juliet aus eigener Erfahrung sagen, es war alles andere als ein Kinderspiel, für König und Vaterland zu spionieren, auch wenn sie es hauptsächlich mit Männern zu tun bekommen würde. Letzteres hatte Juliet mit einem Augenzwinkern und leicht errötend hinzugesetzt, und Aylinn hatte herzlich mit ihrer Freundin gelacht. Obwohl ihr gleichzeitig ein Stich durchs Herz gezuckt war, als sie sah, wie glücklich und zufrieden Juliet McPherson in ihrer Ehe war. Es war genau das, wonach sich Aylinn letztlich ebenfalls sehnte; statt jedoch alles daranzusetzen, dieses Ziel zu erreichen, floh sie förmlich davor, nicht nur vor all den illustren und – wie Juliet ihr hinterbracht hatte - zumeist gähnend langweiligen Freiern, sondern auch vor dem einen Mann, der …
Aber das war jetzt nicht der richtige Moment für solche Gedanken.
Aylinn riss sich zusammen und konzentrierte sich wieder auf die Frau vor sich. Denn es schien, als hätte Juliet recht mit ihrer Einschätzung gehabt und als wäre die Königin von Aylinns Entschiedenheit und Stärke überzeugt. Trotzdem war ihr eigentlich eher nach Weinen denn nach Frohlocken zumute. Noch während sie diese pathetischen, fast schon martialischen Worte ausgesprochen hatte, war ihr klar geworden, dass sie in gewisser Weise tatsächlich zutrafen.
Gewiss, Schottland war ihr lieb und teuer, aber sie bezweifelte, ob der Versuch funktionieren würde, mit den Gefühlen für das Land, in dem sie lebte und das sie
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