Bezaubernde Spionin
lange vom Hof ferngehalten hatte. Sicher, Kinder liebten ihre Väter, auch wenn es die letzten Mistkerle waren, und Argyll von Albany war einer gewesen, keine Frage. Aber die wenigen Male, die er Aylinn begegnet war, hatte Cunningham immer den Eindruck gehabt, dass sie ein sehr selbstbewusstes und intelligentes junges Mädchen war oder vielmehr, eine junge Frau, die ihren Vater zwar liebte, die sich aber dennoch über seinen Charakter wenig Illusionen machte.
Gut, sie hatte keinen Grund, sich zu beschweren. Der alte Argyll hatte seine Tochter vergöttert, ihr alles gegeben, was sie wollte. Bis auf wahre Liebe, vielleicht.
Und die hatte sich dieser Wildfang gewiss woanders geholt.
Cunningham grinste unwillkürlich, als seine Gedanken plötzlich in eine ganz andere Richtung galoppierten; wahrscheinlich ein Ergebnis der kurzen Unterredung mit Georgina Harrington. Er hatte recht lange eine Erektion gehabt und war froh, dass die weite Pluderhose seinen Zustand einigermaßen verborgen hatte.
Cunningham konnte sich jedenfalls überhaupt nicht vorstellen, dass sie noch Jungfrau war, wie ihr Vater immer wieder beteuert hatte. Und falls Connor McPherson tatsächlich nicht derjenige war, der ihr erstes Blut vergossen hatte, dann zweifellos irgendein anderer schottischer Hundsfott, dem sie schöne Augen gemacht hatte. Falls jedoch nicht …
Cunningham musterte die Frau, die sich jetzt dem Podest näherte, auf dem die Majestäten saßen, und leckte sich unwillkürlich die Lippen.
Aylinn von Albany war wahrhaftig eine gute Partie, und das nicht nur wegen ihres Namens und Titels. Er spürte, wie es erneut in seinen Lenden zuckte, als er den Blick genüsslich über ihren schlanken, makellosen Hals gleiten ließ, über ihre Schultern und ihre vollen Brüste, die von dem eng anliegenden Mieder und dem Samtgewand noch betont wurden, dessen Grün so wundervoll zu ihrem Haar kontrastierte und sicherlich ganz ausgezeichnet zu ihren, wenn er sich recht erinnerte, grünen Augen passte. Cunningham stellte sich vor, welches Aufsehen sie wohl im Westminster Palast erregen würde. Zweifellos würde sein Herr, Herzog John von Bedford, keinerlei Schwierigkeiten haben, geeignete Kandidaten als Ehemann für sie zu finden, aber Peter Cunningham bezweifelte, dass diese Frau sich so einfach den Plänen des Herzogs oder irgendeines anderen Mannes beugen würde. Er hätte fast bei dem Gedanken gesabbert, dass ihm das Privileg zuteilwerden könnte, diese Stute zuzureiten. Zweifellos würde sie es genießen, seine Gerte zu spüren, und …
Der englische Gesandte kniff die Augen zusammen, als er Aylinn jetzt genauer musterte. Sie war errötet, was ihr ausgesprochen gut stand, aber das war es nicht, was seine Aufmerksamkeit erregte. Sondern ihn interessierte, wohin sie blickte. Er drehte den Kopf ein wenig und …
»Was zum Teufel …?«, knurrte er.
»Ihr wiederholt Euch, verehrter Lord Peter«, zischte Lady Georgina Harrington neben ihm. »Und Eure Bemerkungen werden nicht geistreicher, wenn ich das anmerken darf. Wenigstens konntet Ihr Euch so weit von den billigen Reizen dieser Person losreißen, dass Ihr bemerkt habt, wen sie da mit ihren Blicken förmlich zu verschlingen scheint.«
»Billige Reize?« Die Frage entfuhr ihm gegen seinen Willen. Das Sprechen fiel Peter Cunningham nicht leicht, und seine Stimme klang heiser. Reize hatte diese Herzogin allerdings, aber billig? Pah! Nichts an Aylinn von Albany war billig. Allerdings verbat sich Cunningham, über die Bemerkung von Lady Harrington zu lachen oder seinen unfreiwilligen Kommentar etwa zu erläutern. Ihr Blick sagte ihm nur allzu deutlich, dass sie keineswegs erfreut darüber war, so unverhofft eine Konkurrentin um die Gunst dieses verweichlichten Stewarts vor die Nase gesetzt zu bekommen, obwohl sie nur mit dem Mann spielen wollte, bevor sie ihn schließlich mit Haut und Haaren verschlang und ihn dann wieder ausspie. Dabei hätte sie sich doch eigentlich keine Sorgen zu machen brauchen, dass ihr Aylinn von Albany in die Quere kam. Schließlich würde die junge Herzogin vermutlich nicht mehr allzu lange hier am schottischen Hof verweilen, jedenfalls nicht, wenn es nach John von Bedford ging. Und Cunningham war davon überzeugt, dass sein Herzog den richtigen Moment abgepasst hatte, seine »liebe Verwandte«, wie er in seinem Brief geschrieben hatte, nach England zu holen, »in den liebenden Schoß der Familie«. Cunningham unterdrückte ein Grinsen. In den schwarzen Schlund der
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