Bezaubernde Spionin
einem Schlag gelöst. Jedenfalls fand Archibald das. Und das hatte er James I. auch gesagt, als der ihn vor der Audienz beiseitegenommen und ihn darüber informiert hatte, wer die neue Gesandte Schottlands am englischen Hofe sein würde. John von Bedford hätte dann keinen Grund mehr, sich über Aylinns Sicherheit den Kopf zu zerbrechen, so hatte der König argumentiert, und Schottland schickte mit ihr eine sehr würdige Gesandte nach Westminster. Außerdem, hatte Sir Archibald gedacht, ohne diesen Gedanken freilich laut auszusprechen, würde die Herzogin in England vielleicht genügend Abstand von ihrem … Problem finden und könnte sich dort vielleicht auch besser mit dem Gedanken anfreunden, nach all diesen schrecklichen Erlebnissen wieder einem Mann ihre Gunst und ihre Liebe zu schenken. Jedenfalls war Lady Hester der Meinung, dass Lady Aylinn ein wenig Abstand von »all dem hier« sicher guttun würde, ohne allerdings näher darauf einzugehen, was sie mit »all dem« meinte oder gar auf wen sie damit anspielte. Sir Archibald hütete sich jedenfalls, seiner Frau in Herzensangelegenheiten zu widersprechen, und er hütete sich ebenfalls, ihr zu verraten, dass er sehr genau wusste, von wem Lady Aylinn der Meinung seiner Frau nach Abstand brauchte. Gewiss, Gefühle und dergleichen waren eindeutig Frauensache, und, er lächelte ein wenig bei diesem Gedanken, er konnte sich nicht beschweren, was die Herzensangelegenheiten zwischen ihm und seiner Gemahlin anging. Ganz und gar nicht!
Er wurde jedoch rasch wieder ernst, als er an Lady Aylinn dachte. Vielleicht brachte sie die Aufgabe als Gesandte tatsächlich auf andere Gedanken, und wenn sie dann zurückkehrte, konnte sie vielleicht auch endlich einen der vielen Anträge, die ihr nicht nur schottische Adlige gemacht hatten, annehmen. Auf jeden Fall hatte sie sich dann hoffentlich diesen einen Mann endgültig aus dem Kopf geschlagen.
Der Lordkanzler warf Sir Rupert einen kurzen Seitenblick zu, schüttelte den Kopf und seufzte. Er wurde einfach aus diesen jungen Leuten nicht schlau. Was sie für ein Durcheinander anrichteten, weil sie ganz offenbar ihre Gefühle nicht beherrschen konnten. Wirklich zu traurig. Auf jeden Fall war die Entscheidung, die Herzogin nach England zu schicken, ein sehr kluger Schachzug vom König, davon war er überzeugt. Dann würde John Bedford endlich Ruhe geben, und sie konnten sich um die dringenden Probleme kümmern, die ihnen die aufsässigen Clans bereiteten.
Sir Archibald räusperte sich, als er bemerkte, dass Sir Rupert immer noch auf eine Antwort wartete.
»Eine gute Wahl als Gesandte Schottlands? Aber selbstverständlich. Herzogin Aylinn von Albany ist wirklich …«
»Sie ist verrückt geworden, das ist sie!«, fiel Rupert Sir Archibald ins Wort, ohne darauf zu achten, dass dieser Mann, sein väterlicher Freund, sowohl vom Alter her als auch von seinem Rang über ihm stand und etwas mehr Respekt erwarten durfte.
Sir Archibald nahm Rupert diese Grobheit jedoch nicht übel, eine Barschheit, die dieser Jüngling, wie der Lordkanzler bemerkt hatte, immer an den Tag legte, wenn es um Aylinn von Albany ging. Er konnte sie ihm umso weniger verdenken, als Archibald einer der wenigen Menschen war, die den Grund dafür kannten. Damals, in jener Nacht in Perth, vor dem schicksalhaften Tag, hatte er keinen Schlaf finden können. Was keineswegs an dem Wein gelegen hatte, den er zu sich genommen hatte, und auch nur zu einem geringen Teil an der Aufregung vor diesem historischen Moment in der jüngeren schottischen Geschichte. Oh nein. Den größeren Anteil an dieser ruhelosen Nacht hatte seine Gemahlin Lady Hester gehabt, die offenbar der Meinung gewesen war, dass ein Mann, der das Amt eines Lordkanzlers des schottischen Königreichs übernahm, nicht zu alt war, neben seinen Pflichten dem König gegenüber auch seine ehelichen Pflichten zu erfüllen. Was er auch getan hatte. Sir Archibald grinste genüsslich bei der Erinnerung. Ja. Oh ja!
Doch dann hatte er nicht einschlafen können, sich vorsichtig aus der Umarmung der zufrieden schlummernden Lady Hester befreit und war durch die Korridore von Perth gestreift. Bis er auf dem Rückweg an einem Gemach vorbeigekommen war, in dem eine Jungfer in Not zu sein schien. Jedenfalls schrie sie ziemlich laut, und Archibald hatte gerade mit ritterlicher Tollkühnheit in das Gemach stürmen wollen, als ihm nach genauerem Hinhören klar geworden war, dass diese Stimme keiner Jungfer in Not gehörte,
Weitere Kostenlose Bücher